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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Unterschiffer, betrachtete ihn mit teuflischem Hohn und durchsuchte ruhig seine Taschen, denen er alsbald einen Schnappsack und ein Chronometer entnahm. Sieben von der Mannschaft, darunter der Koch, ein Neger, durchstöberten die Backbordkabinen nach Waffen und waren bald mit Musketen und Munition versehen. Neben Augustus und seinem Vater befanden sich im Ganzen neun Kerle in der Kajüte, der Abschaum der Bemannung. Die Schurken gingen jetzt aufs Deck und schleppten meinen Freund mit sich, nachdem sie ihm die Arme auf den Rücken gebunden hatten. Sie begaben sich flugs nach dem Vorderkastell, dessen Luke verschlossen war; zwei von den Meuterern hielten dort mit Äxten Wacht; ebenso war es mit der Hauptluke bestellt. Der Unterschiffer rief mit lauter Stimme: »Hört, ihr da unten! Macht, dass ihr raufkommt, einer nach dem anderen – hört ihr? Und dass mir keiner aufmuckst!« Es dauerte einige Minuten, bis sie zum Vorschein kamen; endlich stieg ein Engländer, der sich als Neuangeworbener eingeschifft hatte, herauf, kläglich weinend und den Maat aufs demütigste beschwörend, er möge ihm das Leben schenken. Die einzige Antwort war ein Axthieb über die Stirne. Der arme Teufel stürzte ohne einen Seufzer auf das Verdeck hin, und der schwarze Koch hob ihn wie ein Kind in die Höhe und schleuderte ihn in das Meer.
    Die Menschen drunten hatten den Krach und den Fall ins Wasser gehört, und weder Drohungen noch Versprechen vermochten sie auf das Verdeck zu locken. Sie versuchten alsdann einen allgemeinen Ansturm, und es schien einen Augenblick, als würde die Brigg zurückerobert werden. Doch gelang es den Meuterern schließlich, das Vorderkastell zu schließen, ehe mehr als sechs ihrer Gegner heraufgestiegen waren. Diese sechs sahen sich einer großen Überzahl gegenüber und waren ohne Waffen; sie ergaben sich daher nach kurzem Kampf. Der Unterschiffer gab ihnen freundliche Worte, jedenfalls in der Absicht, die noch unter Deck Befindlichen zum Nachgeben zu veranlassen, denn sie konnten ohne Mühe alles, was oben gesprochen wurde, verstehen. Der Erfolg sprach ebenso sehr für seine Schlauheit wie für seine höllische Niedertracht. Alle, die noch im Vorderkastell waren, erklärten sich zur Übergabe bereit; dann stiegen sie einer nach dem anderen herauf, man band sie und warf sie samt den ersten sechs auf den Rücken; es waren im Ganzen siebenundzwanzig Personen, die nicht an der Meuterei teilgenommen hatten.
    Eine unsagbar scheußliche Schlächterei folgte. Die gefesselten Matrosen wurden an das Fallreep geschleppt. Hier stand der Koch mit einer Axt und schlug jedem der Opfer auf den Kopf, während es von den Meuterern über die Reling gehalten wurde. In dieser Art starben ihrer zweiundzwanzig, und Augustus verzweifelte an seinem Leben; er erwartete jeden Moment, auch an die Reihe zu kommen. Aber entweder waren die Schurken müde, oder ihre blutige Arbeit ekelte sie; die vier Übriggebliebenen erhielten samt meinem Freund eine Galgenfrist, während die ganze Mordbande ein Saufgelage abhielt, das bis zum Untergang der Sonne währte. Nun stritten sie sich wegen des Schicksals der Überlebenden, die nur vier Schritte entfernt lagen und jedes Wort mit anhören mussten. Einige der Meuterer schien der Branntwein zu besänftigen, denn mehrere Stimmen wurden laut, man möge die Gefangenen freilassen unter der Bedingung, dass sie sich der Meuterei nachträglich anschließen sollten. Der schwarze Koch aber, der in jeder Hinsicht ein vollkommener Satan war und mindestens ebenso viel Einfluss wie der Maat, wenn nicht größeren, besaß, wollte auf keinen derartigen Vorschlag hören und stand wiederholt auf, um seine Tätigkeit am Fallreep fortzusetzen. Zum Glück war er so von Trunkenheit übermannt, dass die weniger Blutdürstigen ihn leicht zurückhalten konnten; unter diesen war ein Leinenführer, der Dirk Peters hieß. Er war der Sohn einer Indianerin aus dem Stamm der Upsarokas, die in den Wildnissen der Schwarzen Berge leben, nahe der Quelle des Missouri. Sein Vater war, glaube ich, ein Pelzhändler, oder wenigstens stand er irgendwie in Beziehung zu den indianischen Händlerposten am Lewisfluss. Peters hatte das grimmigste Aussehen, das ich jemals an einem Menschen wahrnahm. Er war von kleiner Figur, nicht mehr als vier Fuß acht Zoll hoch, aber von herkulischem Körperbau. Besonders die Hände waren so furchtbar dick und breit, dass sie kaum Menschenhänden glichen. Seine Arme und Beine waren auf wunderliche Art gebogen,

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