Gesammelte Werke
gekrochen, aus dem er später nicht herauskonnte, denn er vermochte sich nicht darin umzudrehen. Peters ließ ihn schließlich heraus, und mit einer Gutmütigkeit, die mein Freund wohl zu schätzen wusste, hatte er ihm das Tier jetzt als Gefährten ins Vorderkastell gebracht, zugleich mit etwas Salzfleisch, Kartoffeln und einer Kanne Wasser; dann ging er an Deck, mit dem Versprechen, am nächsten Tag wieder etwas Essbares mitzubringen.
Sobald er fort war, befreite Augustus Hände und Füße von ihren Fesseln. Dann kehrte er die Matratze um, nahm sein Taschenmesser (die Halunken hatten es nicht der Mühe wert gefunden, ihn zu untersuchen) und begann eine Planke der Scheidewand in möglichster Nähe der Koje anzuschneiden. Er wählte diese Stelle, damit er im Falle plötzlicher Unterbrechung seine Arbeit mit der Matratze verdecken konnte. An diesem Tag erfolgte jedoch keine weitere Störung, und als der Abend kam, war die Planke völlig entzwei. Es muss hier erwähnt werden, dass keiner von der Mannschaft im Vorderkastell schlief, da jene seit der Meuterei ausschließlich in der Kajüte hausten, wo man sich an den Weinen und Vorräten des Kapitäns gütlich tat; um die Führung des Schiffes kümmerte man sich so wenig als möglich. Diese Umstände waren unser Glück; anders hätte mich Augustus nie erreichen können. Gegen Tagesanbruch beendete er die zweite Durchschneidung des Brettes, die sich ungefähr einen Fuß über dem ersten Einschnitt befand, und machte so die Öffnung groß genug, um nach der Kuhbrücke vordringen zu können. Von dort aus begab er sich ohne viele Schwierigkeiten nach der unteren Hauptluke, obwohl er, um dorthin zu gelangen, Berge von Tranfässern, die sich fast bis ans Oberdeck hinauftürmten, überklettern musste; kaum war zwischen beiden Platz für seinen Körper vorhanden. Als er die Luke erreicht hatte, entdeckte er, dass Tiger ihm gefolgt war. Es schien jetzt zu spät, um vor Tag zu mir zu gelangen, da die größten Hindernisse in dem unteren Kielraum zu suchen waren. Er beschloss somit, umzukehren und bis zum nächsten Abend zu warten. In diesem Gedanken öffnete er ein wenig die untere Luke, um bei seiner Rückkehr nicht mehr Aufenthalt als nötig zu haben. Kaum hatte er das getan, als Tiger an die schmale Öffnung sprang, eifrig schnüffelte, dann ein lang gedehntes Winseln hören ließ und aufgeregt mit seinen Pfoten daran kratzte. Offenbar ahnte, wusste er, dass ich mich im Kielraum befand, und Augustus hielt es für möglich, dass er sich bis zu mir durchdrängen würde. Jetzt kam er auf den Einfall, den Brief zu schreiben, ich sollte ja um keinen Preis selbstständig einen Versuch zu meiner Befreiung unternehmen; und wer weiß, ob er am nächsten Tag schon seine Absicht ausführen konnte? Die Folge zeigte, wie glücklich dieser Einfall war; denn ohne den Brief wäre ich gewiss auf irgendeinen verzweifelten Ausweg, verfallen, die Mannschaft zu alarmieren, und unser beider Leben wäre wahrscheinlich verloren gewesen.
Wie sollte er sich das zum Schreiben Nötige verschaffen? Aus einem alten Zahnstocher wurde bald eine Feder; er schrieb nur nach Gefühl, denn im Zwischendeck war’s pechfinster. Papier bot das rückwärtige Blatt eines Briefes, eines Duplikats jener gefälschten Einladung des Herrn Roß. Er schnitt sich dann in den Finger, gerade überm Nagel, wo das Blut reichlich hervorzuquellen pflegt. Das war seine Tinte, und jetzt schrieb er im Dunkeln, so gut es ging, jene Mitteilung an mich. Es war darin gesagt, dass eine Meuterei stattgefunden habe, dass der Kapitän ausgesetzt worden sei, dass ich bald Hilfe erwarten könne, was Lebensmittel anbetreffe; aber keinerlei Störung hervorbringen möge. Die Schlussworte lauteten: »Ich schrieb dies mit meinem Blut – wenn Dir Dein Leben lieb ist, bleib still liegen.«
Dieser Papierstreifen wurde am Hund befestigt; der sprang durch die Luke. Augustus gelangte, so gut es ging, nach dem Vorderkastell, und er hatte keinen Grund, anzunehmen, dass einer von den Leuten inzwischen unten gewesen war. Um das Loch in der Wand zu verbergen, steckte er sein Messer ins Holz und hing seine Jacke daran auf. Dann legte er sich selbst wieder in Fesseln.
Alles das war kaum getan, als Dirk Peters herunterkam, stark bezecht, jedoch in bester Laune und mit Vorräten für meines Freundes leibliches Wohl. Jene bestanden in einem Dutzend gerösteter, großer, irischer Kartoffeln und einem Eimer Wasser. Er saß eine Weile auf einer Kiste nächst der
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