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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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irdischen Herrlichkeiten mir gewährte.
    Sobald ich meinen Durst einigermaßen gestillt hatte, zog Augustus aus seiner Tasche drei oder vier gekochte Kartoffeln, die ich mit der größten Gier hinabschlang. Er trug ein Licht in einer Blendlaterne bei sich, und die gütigen Strahlen schenkten kaum geringeren Trost als Essen und Trinken. Aber ich verlangte mit Ungeduld zu erfahren, was ihn so lange ferngehalten haben konnte, und alsbald begann er mir alles zu berichten, was sich während meiner Gefangenschaft an Bord zugetragen hatte.
Viertes Kapitel
    Wie ich vermutete, war die Brigg ungefähr eine Stunde, nachdem er mir die Uhr dagelassen hatte, in See gestochen. Das war am zwanzigsten Juni. Man wird sich entsinnen, dass ich drei Tage lang im Kielraum gewesen war, und während dieser Zeit gab es an Bord solch ein Durcheinander und Herumlaufen, besonders in der Kajüte und den Staatskabinen, dass er keine Gelegenheit gefunden hatte, mich zu besuchen, ohne das Geheimnis der Falltür aufs Spiel zu setzen. Als er nun endlich kam, versicherte ich ihn, alles gehe so gut als irgend möglich; und darum empfand er die beiden folgenden Tage meinetwegen keine Besorgnis, obwohl er immer auf der Lauer lag, ob sich nicht Gelegenheit böte, hinabzusteigen. Erst am vierten Tag fand er sie. In der Zwischenzeit hatte er sich schon öfters entschlossen, seinem Vater alles anzuvertrauen und mich sofort an Deck holen zu lassen; aber wir waren noch nicht sehr weit von Nantucket entfernt, und nach mehreren Äußerungen, die dem Kapitän entschlüpften, erschien es zweifelhaft, ob er nicht umkehren würde, sobald er meine Anwesenheit erführe. Außerdem, erzählte mir Augustus, konnte er nach reiflichem Nachdenken sich nicht recht vorstellen, dass ich mich in unmittelbarer Not befände oder dass ich in solchem Fall zögern würde, mich an der Falltür bemerkbar zu machen. Als er so alles in Betracht gezogen hatte, beschloss er, mich unten zu lassen, bis er in die Lage käme, mich unbemerkt aufzusuchen. Das geschah, wie schon erwähnt, erst am vierten Tage nach Überbringung der Uhr und am siebenten nach meinem Einzug in den Kielraum. Er war hinuntergestiegen, ohne Wasser oder Vorräte mitzunehmen, da er mich vor allem zur Falltür rufen wollte, um mich dann von der Kabine aus zu verproviantieren. Er hörte mich sehr laut schnarchen, musste also annehmen, ich schlafe. Nach meinen Berechnungen war dies der Schlummer, in den ich nach Abholung der Uhr gesunken war; er musste somit mindestens drei ganze Tage und Nächte gedauert haben. Neuerdings bin ich durch eigene Erfahrung und die Versicherungen anderer mit den starken, einschläfernden Wirkungen bekannt geworden, die der Ausdünstung alten, engverwahrten Fischtrans eigen sind; und wenn ich mich des Zustandes erinnere, in dem der Kielraum sich befand, und bedenke, wie lange die Brigg als Walfänger gedient hatte, bin ich manchmal geneigt, mich zu wundern, dass ich überhaupt wieder erwachte.
    Augustus rief mich zuerst leise und ohne die Falltür zu schließen, aber ich gab keine Antwort. Nun schloss er die Klappe und sprach lauter, zuletzt mit sehr starker Stimme: ich schnarchte weiter. Was sollte er beginnen? Um durch das Gerumpel zu mir durchzudringen, bedurfte er einiger Zeit, und inzwischen konnte seine Abwesenheit von Kapitän Barnard bemerkt werden, da dieser ihn jeden Augenblick zum Ordnen und Abschreiben von gewissen Geschäftspapieren nötig hatte. Er entschloss sich somit, hinaufzugehen und eine andere Gelegenheit abzuwarten. Dieser Entschluss wurde ihm umso leichter, als mein Schlummer äußerst friedlicher Natur schien und er nicht annehmen konnte, meine Gefangenschaft habe mir irgend geschadet. Eben war er mit sich einig geworden, als seine Aufmerksamkeit durch eine ungewöhnliche Unruhe gefesselt wurde, die von der Kajüte auszugehen schien. Er sprang durch die Falltür, schloss sie zu und öffnete weit die Tür der Kajüte. Kaum hatte er einen Fuß über die Schwelle gesetzt, so blitzte ein Pistolenlauf vor seinen Augen, und zugleich schlug ihn ein Hebebaum zu Boden.
    Eine kräftige Hand, die seinen Hals fest umklammerte, drückte ihn an den Fußboden der Kajüte; aber was um ihn her vorging, konnte er deutlich wahrnehmen. Sein Vater, an Händen und Füßen gebunden, lag auf den Stufen der Kajütentreppe, mit dem Kopf nach unten und einer tiefen Stirnwunde, aus der Blut ununterbrochen hervorströmte. Er sprach kein Wort und rang offenbar mit dem Tod. Über ihm stand der

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