Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
Vom Netzwerk:
so dass sie scheinbar gar keine Beweglichkeit besaßen. Auch sein Kopf war unförmlich, nämlich von riesiger Größe, mit einer Vertiefung am Schädel, wie man sie bei den meisten Negern findet, und völlig kahl. Um diesen Mangel, der keine Folge des Alters war, zu verbergen, pflegte er eine Perücke aus irgendwelchem haarigen Zeug – gelegentlich vom Fell eines spanischen Hundes oder amerikanischen Graubären – zu tragen. Zur erwähnten Zeit trug er ein Stück Bärenfell auf dem Kopf, und es erhöhte nicht wenig die Wildheit seines Gesichtes, das den Typus der Upsarokas hatte. Der Mund zog sich fast von einem Ohr zum anderen, die Lippen waren dünn und schienen gleich einigen anderen Teilen seines Körpers unbeweglich, so dass der herrschende Ausdruck seiner Züge stets derselbe blieb. Seine Zähne waren lang und standen weit vor, so dass sie niemals von den Lippen verdeckt wurden. Auf den ersten Blick schien dieser Mensch sich in Lachkrämpfen zu winden, auf den zweiten aber musste man sich sagen, dass seine Lustigkeit nur die eines Teufels sein könne. Unter den Seeleuten Nantuckets waren mancherlei Geschichten über dieses sonderbare Wesen im Umlauf. Diese Anekdoten bewiesen die wunderbare Stärke, über die er in erregtem Zustand verfügte, und einige von ihnen ließen einen Zweifel übrig, ob er bei gesundem Verstand sei. Aber an Bord des »Grampus« wurde er, zur Zeit der Meuterei, offenbar mehr als komische Figur betrachtet. Ich erzähle so ausführlich von Dirk Peters, weil er trotz seines furchtbaren Aussehens der eigentliche Retter meines Freundes wurde und weil ich ihn im Laufe meiner Erzählung noch öfters erwähnen muss – dieser Erzählung, die, wie ich hier vorausschicken möchte, Ereignisse berichtet, die außerhalb aller menschlichen Erfahrung zu stehen scheinen und daher auch so schwer zu glauben sind, dass ich jede Hoffnung aufgeben muss, man werde meine Mitteilungen für wahr halten, aber der Zeit und dem Fortschritt der Wissenschaft vertraue, die gewiss die wichtigsten und unwahrscheinlichsten meiner Erlebnisse als wirklich erweisen werden.
    Nach vieler Unschlüssigkeit und drei oder vier heftigen Streitigkeiten wurde zuletzt beschlossen, dass alle Gefangenen (außer Augustus, den Peters mit scherzenden Worten als seinen Schreiber beanspruchte) in einem der kleinen Fangboote ausgesetzt werden sollten. Der Maat ging nach der Kajüte, um zu sehen, ob Kapitän Barnard noch lebe; bald erschienen die beiden wieder, der Kapitän, bleich wie der Tod, aber etwas erholt von seiner Verwundung. Mit einer Stimme, die kaum zu artikulieren vermochte, flehte er sie an, ihn nicht auszusetzen, sondern zu ihrer Pflicht zurückzukehren, und versprach, sie auszuschiffen, wo sie wollten, und keine Schritte zu ihrer gerichtlichen Verfolgung zu unternehmen. Er sprach völlig in den Wind. Zwei Halunken packten ihn bei den Armen und stießen ihn über die Reling ins Boot, das inzwischen herabgelassen worden war. Die vier Leute, die noch auf Deck lagen, wurden losgebunden; man befahl ihnen, dem Kapitän zu folgen, was sie nicht ohne Widerstand taten, während Augustus noch in seiner peinlichen Lage verblieb, obwohl er bat und flehte, man möchte ihm nur die Gnade gewähren, von seinem Vater Abschied nehmen zu dürfen. Eine Handvoll Zwieback und ein Krug Wasser wurden herabgereicht, aber weder Mast, Segel, Ruder noch Kompass. Das Boot wurde eine Minute lang geschleppt, während die Meuterer sich abermals besprachen; dann wurde das Tau zerschnitten. Die Nacht war hereingebrochen, man sah nicht Mond noch Sterne, die See ging in bösen, kurzen Stößen, obgleich der Wind nicht eben kräftig blies. Das Boot war sofort außer Sicht; für die armen Dulder blieb wenig zu hoffen. Dies ereignete sich auf dem 33. Grad 30 Min. nördlicher Breite, 61. Grad 20 Min. westlicher Länge, daher in nicht allzu großer Entfernung von den Bermudainseln. Somit tröstete sich Augustus in dem Gedanken, das Boot könne entweder Land erreichen oder ihm nahe genug kommen, um von Küstenschiffern gesichtet zu werden.
    Die Brigg ging jetzt unter allen ihren Segeln und setzte ihren ursprünglichen Kurs nach Südwesten fort, da die Meuterer einen Piratenstreich vorhatten; soviel man verstand, wollten sie irgendein Schiff auf seinem Weg von den Kapverdi-Inseln nach Portoriko abfangen. Um Augustus kümmerte man sich nicht, er wurde losgebunden und durfte frei umhergehen, nur die Kajüte war ihm verboten. Dirk Peters behandelte ihn mit einiger

Weitere Kostenlose Bücher