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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Freundlichkeit und rettete ihn einmal sogar vor der Brutalität des Kochs. Seine Lage war noch recht kitzlig, denn die Leute waren fortwährend betrunken, und man konnte sich nicht auf die Dauer auf ihre gute Laune verlassen. Doch behauptete er, die Sorge um mich sei das Traurigste an seiner Lage gewesen; und in der Tat hatte ich niemals Ursache, an der Aufrichtigkeit seiner Freundschaft zu zweifeln. Mehr als einmal war er entschlossen, die Meuterer mit dem Geheimnis meiner Anwesenheit vertraut zu machen, aber die Erinnerung an die Scheußlichkeiten, deren Zeuge er gewesen war, und die Hoffnung, mir bald Hilfe bringen zu können, hielten ihn davon ab. Aus letzterem Grund lag er beständig auf der Lauer, aber trotz der größten Wachsamkeit vergingen drei Tage nach dem Aussetzen des Bootes, bevor sich eine Gelegenheit darbot. Endlich, in der Nacht des dritten Tages, kam eine schwere Bö aus Osten, und alle mussten heran, um die Segel zu reffen. Während des Durcheinanders, das nun erfolgte, gelangte er unbeobachtet in seine Kabine. Mit Entsetzen und Schmerz nahm er wahr, dass sie zu einem Aufbewahrungsort für allerhand Vorräte und Werkzeuge gemacht worden war und dass mehrere Faden alten Kabels, die unter der Treppe verstaut lagen, hierher geschleppt worden waren und nun gerade die Falltür zudeckten. Das Kabel unbemerkt zu entfernen, war unmöglich, und er eilte wieder aufs Verdeck. Sobald er dort erschien, packte ihn der Maat an der Kehle, fragte ihn, was er denn da unten zu suchen habe, und wollte ihn über Backbord in die See schleudern, als ihm das Leben abermals durch Dirk Peters gerettet wurde. Augustus bekam Handschellen an, und seine Füße wurden fest zusammengebunden. Er wurde dann ins Matrosenlogis gebracht und in eine der unteren Kojen nahe der Scheidewand des Vorderkastells gelegt, mit der Versicherung, dass er keinen Fuß mehr auf Deck setzen werde, »solange die Brigg eine Brigg sei«. Das war die Ausdrucksweise des Kochs, der ihn in die Koje warf; was er eigentlich damit meinte, ist schwer zu sagen. Der ganze Vorfall sollte aber, wie man gleich sehen wird, der Anlass zu meiner endgültigen Erlösung werden.

Fünftes Kapitel
    Einige Minuten gab sich Augustus der Verzweiflung hin; er hatte keine Hoffnung mehr, die Koje lebendig verlassen zu dürfen. Er kam jetzt zu dem Entschluss, dem ersten, der hinunterkäme, von meiner Lage Mitteilung zu machen, da er es für besser hielt, dass ich mein Glück bei den Meuterern versuchte, als dass ich im Kielraum vor Durst zugrunde ging; zehn Tage war ich nun schon dort gefangen, und mein Krug Wasser hatte kaum für vier gereicht. Als er so überlegte, kam ihm plötzlich die Idee, dass es nicht unmöglich sein würde, mit mir durch den Hauptkielraum in Verkehr zu treten. Unter anderen Umständen hätten ihn die Schwierigkeiten, die Gefahren des Unternehmens von solchem Wagnis abgehalten; aber jetzt schien ihm sein Leben kaum einen Schuss Pulver wert, und somit wendete er sich mit allen Kräften seines Geistes der großen Aufgabe zu.
    Die Handschellen boten das erste Hindernis. Wie sich ihrer entledigen? Erst hielt er es für undurchführbar; aber bei näherem Zusehen erkannte er, dass man die Eisen mit geringer Anstrengung abstreifen konnte, indem man die Hände durchdrückte; diese Art von Fessel erfüllt bei jungen Leuten, deren Knochen leicht nachgeben, ganz und gar nicht ihren Zweck. Nun löste er die Bande an seinen Füßen, ließ aber den Strick hängen, so dass er zur Not wieder befestigt werden konnte, falls jemand herunterkam; und dann untersuchte er die Scheidewand. Sie bestand aus zolldickem, weichem Fichtenholz, durch das er sich ohne viel Mühe einen Weg würde bahnen können. Da hörte er eine Stimme am Eingang des Vorderkastells und hatte gerade Zeit, seine Rechte in die Handschelle zu zwängen (die Linke war noch nicht frei) und den Strick oberflächlich um seine Knöchel zu winden, da kam Dirk Peters herab, begleitet von »Tiger«, der sofort in die Koje sprang und sich niederlegte. Den Hund hatte Augustus an Bord gebracht, weil er meine Zuneigung für das Tier kannte und mir damit eine große Freude zu machen gedachte. Er holte ihn von unserem Haus weg, gleich nachdem er mich im Kielraum versteckt hatte, vergaß aber, als er mir die Uhr mitbrachte, etwas davon zu erwähnen. Seit der Meuterei konnte er ihn nirgends erblicken und war daher überzeugt, dass die Schurken ihn über Bord geworfen hätten. Der Hund war aber in ein Loch unterm Fangboot

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