Gesammelte Werke
bestimmen oder klarmachen könnten) fiel diese, unsichere Silbe, inmitten der tiefen Finsternis meines Kerkers, in die geheimsten Abgründe meiner Seele!
Augustus hatte wohl einen triftigen Grund, zu wünschen, dass ich verborgen bliebe, und ich erdichtete tausend Vermutungen, welcher es wohl sein könnte; aber ich vermochte keine befriedigende Lösung des Rätsels auszudenken. Kurz vor meinem letzten Gang nach der Falltür und bevor meine Aufmerksamkeit durch Tigers wunderliches Benehmen abgelenkt worden war, hatte ich beschlossen, mich um jeden Preis den Leuten auf Deck bemerkbar zu machen oder, falls mir das nicht sogleich gelingen sollte, mir einen Weg durch das Gerümpel zu bahnen. Dass ich ziemlich sicher war, mein Ziel so oder so zu erreichen, hatte mir den zum Ertragen meiner üblen Lage notwendigen Mut (den ich sonst nicht besessen haben würde) eingeflößt. Die paar Worte, die ich hatte lesen können, raubten mir jetzt jene letzte Zuversicht, und zum ersten Mal empfand ich all das Grauenhafte meines Loses. In einem Ausbruch der Verzweiflung warf ich mich wieder auf die Matratze; dort lag ich wohl einen Tag und eine Nacht, in einer Art Betäubung, die nur durch kurze Augenblicke der Vernunft und des Rückerinnerns unterbrochen wurde.
Endlich erhob ich mich noch einmal und sann den Schrecknissen nach, die mich umgaben. Weitere vierundzwanzig Stunden ohne Wasser zu leben, würde mir unmöglich sein. Während der ersten Zeit meiner Gefangenschaft hatte ich von den geistigen Getränken, mit denen mich Augustus versah, eifrigen Gebrauch gemacht; jetzt aber verschlimmerten sie nur das Fieber, ohne den Durst im Geringsten zu löschen. Mir blieb nur noch eine Viertelpinte übrig, und das war eine Art starken Pfirsichschnapses, gegen den mein Magen sich auflehnte. Die Würste waren völlig aufgezehrt, vom Schinken war nur ein kleines Stückchen Haut übrig, und der Schiffszwieback war bis auf einige Krumen von Tiger gefressen worden. Dazu kam noch, dass mein Kopfschmerz sich beständig verschlimmerte und mit ihm eine Art Delirium, das mich mehr oder weniger seit jenem ersten Einschlafen gefangen hielt. Während einiger Stunden hatte ich nur ganz mühsam atmen können, und jetzt war jeder Versuch mit einem höchst niederdrückenden krampfhaften Vorgang in der Brust verbunden. Allein es gab noch eine andere, von den genannten sehr verschiedene Ursache für meine Beunruhigung, deren folternde Schrecken es in der Tat vermocht hatten, mich aus meinem stumpfsinnigen Brüten zu reißen. Diese Ursache lag in dem Benehmen meines Hundes.
Ich bemerkte zuerst eine Veränderung in seinem Gehaben, als ich zum letzten Mal jenes Blatt mit Phosphor einrieb. Er stieß dabei mit einem leichten Knurren die Nase gegen meine Hand; aber ich war in jenem Moment zu aufgeregt, um dem Umstand große Beachtung zu schenken. Dann warf ich mich, wie man sich erinnern dürfte, auf die Matratze und versank in eine Art von Lethargie. Auf einmal wurde ich eines sonderbaren Zischens inne, das dicht an meinem Ohr erklang, und ich entdeckte, dass es von Tiger herrührte, der, offenbar im Zustand größter Erregung, keuchte und schnaufte, indes seine Augen wild in der Finsternis erglühten. Ich sprach zu ihm, er antwortete mit einem leisen Murren und blieb dann still. Bald verfiel ich wieder in meine Dumpfheit, um auf die gleiche Weise wie vorhin erweckt zu werden. Dies wiederholte sich drei- oder viermal, bis zuletzt sein Benehmen mich mit einer solchen Furcht erfüllte, dass ich völlig zum Bewusstsein kam. Er lag jetzt an der Koffertüre, knurrte fürchterlich, obwohl in etwas gedämpftem Ton, und knirschte mit den Zähnen, als schüttele ihn ein Krampf. Ohne Zweifel hatten der Mangel an Wasser und die geschlossene Luft im Kielraum ihn toll gemacht, und ich wusste nicht, was mit ihm anfangen. Ihn zu töten, war mir ein unerträglicher Gedanke, und doch schien es für meine Sicherheit der einzige Weg. Ich konnte deutlich wahrnehmen, wie seine Augen mit dem Ausdruck tödlichsten Hasses auf mir ruhten, und jede Sekunde erwartete ich seinen Angriff. Endlich konnte ich in dieser furchtbaren Lage nicht länger verharren; ich entschloss mich, auf jede Gefahr hin meinen Winkel zu verlassen und ihn abzutun, falls sein Widerstand dies nötig machen sollte. Ich musste gerade über ihn hinweg; und er schien meine Absicht schon zu spüren, erhob sich (wie ich aus der veränderten Stellung seiner Augen erkannte) auf den Vorderpranken und zeigte seine starken
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