Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
Vom Netzwerk:
zu kennen. Doch als er jetzt die nassen Kleider anlegte und das kurze Schwert ergriff, zitterte sie vor Furcht. Gorian mochte sie foltern und demütigen, sie in kalter Finsternis verschmachten lassen – alles konnte sie ertragen. Wenn aber Darion im Kampf für sie fiel, dann wollte auch sie nicht mehr leben.
    »Ach ja – bevor ich es vergesse«, sagte er grinsend und faltete das dunkle Kettenhemd auseinander. »Hier ist etwas, das dir gehört. Ich hatte es – nun sagen wir: ausgeliehen. Heute bringe ich es dir zurück.«
    Das Buch. Er hatte es in sein Kettenhemd eingewickelt, doch das Wasser war dennoch in den hellbraunen Einband eingedrungen – nicht zum ersten Mal. Der Foliant war verquollen, die Seiten wellten sich, und auf dem Einband befanden sich hässliche dunkelbraune Flecken.
    »Schlag es auf, und lies darin!«, forderte er sie auf. »Du wirst staunen.«
    »Das fürchte ich auch«, meinte sie kopfschüttelnd. »War es dir nicht ins Meer gefallen? Wie hast du es zurückbekommen? Du bist doch nicht etwa …«
    »Das ist eine längere Geschichte, mein Schatz.«
    Er untersuchte die kleine Laterne, die er wohl in seinen Plan einbeziehen wollte, und bedauerte, dass die Kerze schon ein gutes Stück heruntergebrannt war. Marian kniete mit dem beschädigten Buch neben dem Licht nieder und öffnete es. Wie erwartet war die Schrift auseinandergelaufen und die Zeichnungen so verwaschen, dass man auf den ersten Blick kaum etwas erkennen konnte.
    »Es tut mir leid, Marian«, knurrte Darion, und seine Hand strich warm über ihre Schulter. »Es ist meine Schuld, ich könnte mich heute noch dafür ohrfeigen …«
    »Aber – es ist doch nichts geschehen, Darion!«
    Er glaubte zuerst, sie machte einen Scherz, doch dann begriff er, dass sie die verlaufene Schrift lesen konnte. Es mussten ihre Elbenaugen sein, die mehr sahen als andere Augen. Vielleicht auch die Magie desjenigen, der dieses Buch geschrieben hatte, denn es richtete sich allein an sie, Marian, die künftige Königin.
    Darion ließ sich neben der Tür nieder, den Rücken gegen den Fels gelehnt, und behielt die eiserne Pforte fest im Blick. Nur manchmal schielte er zu Marian hinüber, die mit großen ernsten Augen las, Seite um Seite wendete und manchmal mit den Lippen lautlos Worte formte. Er lächelte zufrieden. Die verflixten Windbräute hatten das Elbenbuch zwischen den verschlungenen Wurzeln der Lebensesche versteckt, er hatte mit Aladion nach seinem Kampf sozusagen darauf gesessen. Aber was zählte das jetzt noch – er hatte seinen Fehler wiedergutgemacht, das Elbenbuch war in Marians Händen, und sie konnte es sogar lesen! Wenn nur auch der zweite Teil seiner Unternehmung so glücklich enden würde! Er hatte zwar davon gehört, dass der Kairon über weite Strecken durch ein Höhlensystem floss, das begehbar war, doch er hatte nur eine vage Vorstellung, wie man dorthin gelangte. Wenn es gelang, in dieses Höhlensystem einzudringen, brauchte man nur flussaufwärts zu gehen, dann erreichte man irgendwann das Tageslicht. Oder das Mondlicht – was ihm wesentlich lieber gewesen wäre.
    Der Wasserpegel in der Grotte stieg jetzt rascher an, dafür hatte das Zischen und Gurgeln aufgehört. Die Flut stand draußen schon hoch und drückte das Meerwasser in die Höhlungen des Felsens. Mit einem leisen Schwappen eroberte es Stufe um Stufe, leckte zuerst schüchtern über den Fels und zog sich wieder zurück, um gleich darauf einen neuen Anlauf zu unternehmen.
    Marian erhob sich, denn schon wurden ihre Knie nass, sie schloss das Elbenbuch und legte es neben die Laterne.
    »Bleib bei der Pforte!«, wies Darion sie an. »Und wenn sie kommen, halte die Laterne hoch, damit sie geblendet sind, wenn ich sie angreife!«
    Sie wollte etwas einwenden, doch in diesem Augenblick knirschte ein Schlüssel im Schloss der Pforte. Darion sprang auf die Füße, stand unbeweglich, den Rücken gegen die Felswand gepresst, das Schwert in seiner Rechten. Mit einem leisen Quietschen bewegte sich die eiserne Tür nach außen, der Kopf eines Nachtschattenkriegers wurde sichtbar, und sein hämisches Grinsen brachte Darions Blut zum Kochen.
    »Nun, Hoheit Marian? Habt Ihr Euch nasse Füße geholt?«
    »Das nächste Mal kommen wir nicht so pünktlich …«
    »Weg mit der Laterne, verdammt! Hast du nicht gehört? Du sollst die Laterne …«
    Marian stand mit zitternden Knien da und starrte auf die Kämpfenden. Darions Schwert leistete rasche Arbeit, die Nachtschattenkrieger sanken in sich

Weitere Kostenlose Bücher