Gesang der Rosen
über ihren Leib, und sein Kopf schmiegte sich an ihre Brust, während sie in seinen Locken spielte. Dann zog sie, um ihm ins Gesicht sehen zu können, seinen Kopf an den Haaren hoch, bis seine Lippen, weit geöffnet, über ihr schwebten. Nicht lange, und sie ließ seinen Kopf auf ihr Gesicht herniedersinken und begrub sich dadurch sozusagen selbst unter den Küssen des Stammelnden. Sie fühlte sehr, wie seine Hände sich um ihren Körper spannten.
»André«, flüsterte sie immer wieder, »André …«
»Jeanette«, stammelte er ständig und ertrank in einem Nebel heißer Wildheit. Ein brennender Stich zuckte plötzlich durch Jeanettes Lenden und Schenkel, unerträglicher und doch wonnegetränkter Schmerz stürzte wie eine Flut über ihr Bewußtsein.
»André!« schrie sie da auf, »André, nicht!« und klammerte sich doch an seinen Körper, preßte ihn an sich, in sich hinein, obgleich ihr ein Brand durch den Leib jagte. Und dann senkten sich vom Himmel feurige Wolken und heißer Regen auf sie, Taumel und Süße, Jauchzen und die Lust, lachend zu sterben. Und das Stroh fiel von den Seiten herab, sammelte sich auf den Stammelnden und begrub ihre Körper unter Gold und knisternder Wärme.
*
Als sie, noch trunken vom Niegeahnten, Hand in Hand nebeneinanderlagen und stumm dem Tanz der Staubflocken in den Sonnenstrahlen zusahen, wandte André plötzlich den Kopf zur Seite und streichelte zart mit seiner braunen Hand das blasse, noch tränenfeuchte Gesicht Jeanettes.
»Warum hast du geweint?« fragte er sie sanft. »Bereust du die eine Stunde, die ein ganzes Leben ändert?«
»Nein, André … nein …« Sie stockte. »Alles war so neu … so schön … und … André … so schwer …«
Sie schwieg und schaute wieder auf die tanzenden Sonnenstäubchen.
»Nicht schwer, Jeanette«, bettelte er, »bitte, sag nicht schwer, sondern wunderschön, nur wunderschön … wunderschön.«
Er beugte sich über sie und küßte ihre feuchten Lippen, er legte seinen Kopf auf ihr Herz und lächelte, während er halblaut die langsamer werdenden Schläge zählte. Er streichelte ihren Körper, der warm und erblüht ihm gehört hatte. Er ließ sich verströmen in dem taumelnden Glück, das wild durch seine Schläfen hämmerte.
»Jeanette«, sagte er leise. »Jeanette … was hast du mir gegeben … welches Opfer hast du heute gebracht? Hell ist es um mich, hell und frei und weit …«
Jeanette zuckte bei seinem letzten Wort zusammen und klammerte sich zitternd an ihn.
»Nicht weit, André!« rief sie. »Nicht weit … bleib bei mir, André, verlaß mich nicht … André, André … frei sollst du sein, doch neben mir, in meinen Armen … in mir …«
»Fühlst du, wie das Licht in mich hineinströmt?« antwortete André und löste sich aus Jeanettes Armen, die entsetzt in sein verzücktes Gesicht blickte. »Siehst du nicht die Kraft, die zu mir kommt? Ich kann sie fassen, Jeanette … ich kann die Verse fassen … Jeanette.«
Er weinte, André weinte und küßte die Hände des Mädchens, riß einen Block aus der Tasche und einen Stift und schrieb mit fliegender Hand Vers um Vers auf das leicht zerknitterte Papier, und seine Lippen bebten dabei, als sängen sie nach innen, während sein Blick in die Ferne ging, irgendwo in die Weite des Raumes, wo das Ohr am Munde Gottes lauschte und die Stimme jubelte von der Gnade des Herrn.
Vers um Vers schrieb seine Hand, und unter dem Lächeln seiner Lippen und dem kosenden Streicheln bebendheißer Mädchenhände formte sich hell ein wunderschönes Gedicht, der
GESANG DER ROSEN
Wenn sich die Rose trunken öffnet
dem ersten Morgenstrahl der Sonne,
wenn Tau den tiefsten Leib durchfeuchtet
und Duft entquillt der Blütenwonne,
dann reite ich auf schnellem Rosse
von deiner Burg hinab ins Land
und trage über meinem Herzen
dein Bild als deiner Liebe Pfand.
Wenn sich die Rose lockend wieget
im Wind, der von den Bergen singt,
wenn Mädchen sie in Locken stecken
und aus der Blüte Lust entspringt,
dann stehe ich mit Schild und Speere
vor eines Ritters strengem Blick
und singe hell von deiner Schönheit
als dieser Erde reinstes Glück.
Wenn sich die Rose müde senket
und Abendschatten sie umwehn,
wenn unter Büschen Liebe flüstert
und Wünsche mit den Winden gehn,
lieg ich allein im hohen Grase
und träume von der Küsse Glut
und wünsche mir zu meiner Sehnsucht
den sieggekrönten Freiersmut.
Wenn sich die Rose sterbend neiget
und schwarze Locken silbern sind,
wenn Ruhe durch das Leben
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