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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tadelnd an und erklärte, plötzlich kurz entschlossen, wobei er sich auch schon in Bewegung setzte: »Ich werde ihn mir mal beschnuppern.«
    Als er die Schankstube betrat, setzte der Gast gerade mit höchst zufriedener Miene sein Glas ab. Die Frage, die deshalb Tergnier zur Begrüßung ohne weiteres riskieren konnte, lautete: »Schmeckt er Ihnen?«
    Bonnet schnalzte mit der Zunge; das genügte.
    »Selbst gezogen und gekeltert«, sagte Tergnier stolz.
    »Besitzen Sie auch einen Weinberg?« fragte ihn Bonnet.
    »Einen kleinen – aber in bester Lage! Ein Seidenfabrikant aus Lyon will ihn mir längst abkaufen.«
    »Um Gottes willen, behalten Sie ihn unter allen Umständen! Wenn der Kerl ihn kriegt, verschwindet jeder Tropfen in seinem Keller, und wir Normalverbraucher haben das Nachsehen.«
    Die beiden lachten.
    »Gestatten Sie?« fragte Tergnier, ehe er sich nun auch an den Tisch setzte und nach seiner Frau rief, damit sie für nassen Nachschub sorgte.
    Daß dieser Fremde den Wein mit hohem Lob bedachte – und dieser Herr kam aus Paris, besaß einen teuren Wagen, kannte sicher Weine, deren Ränge und Namen alle Zungen schnalzen ließen –, daß dieser Gast mit begeisterten Augen immer wieder ins Glas schaute und ihm, dem Wirt, mit Anerkennung zunickte, erregte in Tergnier, dessen Herz so selten glücklich war, fast das Gefühl der Bruderschaft mit ihm.
    »Sie kommen aus Paris? Wie lange sind Sie gefahren?«
    »Seit dem frühen Morgen. Ich legte Pausen ein, hatte es nicht eilig.«
    »Haben Sie Urlaub?«
    »Wie man's nimmt; ich verbinde das Angenehme mit dem Nützlichen.«
    »Und – wenn ich das fragen darf – was ist das Angenehme?«
    »Zum Beispiel …« Bonnet überlegte kurz und sagte, vergnügt auf sein Glas zeigend: »Ihr Wein hier.«
    »Und das Nützliche?«
    »Nun«, meinte Bonnet, dem der Alkohol schon etwas die Zunge zu lösen begann, »ich habe mit Literatur zu tun. Mein Spezialgebiet sind die Lieder der Troubadoure – bekannte und unbekannte. Auf der Suche nach letzteren bin ich eigentlich immer. Das ist auch der Grund, warum es mich schon mehrmals in die Gegend hier verschlagen hat. Fündig konnte ich allerdings bis zum heutigen Tage leider nicht werden.«
    Jean Tergnier war so überrascht, daß er nur ausrufen konnte: »Da schlag doch der Donner drein!«
    »Wieso?« fragte Bonnet, dem die Aufregung Tergniers nicht erklärlich war.
    »Weil das hier in letzter Zeit nicht mehr aufhört mit diesen Troubadouren.«
    »Nicht mehr aufhört mit diesen Troubadouren? Soll das heißen, daß vor mir schon einer wie ich hier war?«
    Monsieur Julien Bonnet witterte wissenschaftliche Konkurrenz – die schlimmste aller Konkurrenzen – und schaute, vorübergehend jeden guten Tropfen vergessend, böse drein.
    Doch zu seiner Beruhigung erfuhr er von Tergnier: »Nein, das nicht, hier war keiner, aber es genügt ja schon die – verzeihn Sie – verdrehte Tour eines Einheimischen.«
    »Welches Einheimischen?«
    »Unseres André Tornerre.«
    »Wer ist André Tornerre?«
    »Der Sohn des Küsters hier.«
    »Das sagt mir gar nichts. Was macht er? Welches Studium hat er?«
    »Studium?« Der Schmied lachte geringschätzig. »Das Bürschchen ist sechzehn Jahre alt. Sein Studium besteht darin, auf dem Rücken zu liegen, zum Himmel hinaufzustarren und den Herrgott einen guten Mann sein zu lassen. Unser Abbé hat ihm ein paar Brocken Latein beigebracht, das ist alles.«
    »Was hat er mit Troubadouren zu tun? Oder habe ich Sie da falsch verstanden?«
    »Nein, haben Sie nicht. Er kennt kein anderes Thema mehr. Meine Tochter hat er damit auch schon verrückt gemacht. Aber ich werde ihm schon noch einen Riegel vorschieben.«
    »Sie mögen ihn nicht?«
    »Er ist ein Taugenichts!«
    »Warum? Weil er sich für Troubadoure interessiert?«
    »Das wär mir egal, wenn er Jeanette in Ruhe ließe.«
    »Wer ist Jeanette?«
    »Meine Tochter, im gleichen Alter, ich sagte Ihnen ja schon, daß sie auch nicht mehr normal ist. Sie rennt ihm nach und läßt sich von ihm nachts solche Lieder aufs Fensterbrett legen.«
    Madame streckte ihren Kopf wieder zur Tür herein und sah, daß die zwei Männer während ihres Gesprächs keineswegs vergessen hatten, dem Wein zuzusprechen. Die Karaffen waren leer, die Gläser nicht mehr weit von diesem Zustand entfernt.
    »Mein lieber Freund«, sagte Bonnet, nachdem der Gefahr, bald auf dem trockenen zu sitzen, wieder von Madame Tergnier vorgebeugt war, »dieser Junge schreibt also Troubadourlieder. Nach welcher

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