Gesang des Drachen
dem Himmel fallen ließ. Die beiden Gegner belauerten sich gegenseitig, jeder magische Schlag, ob mit Feuer, Eis, Felsbrocken oder Stürmen, wurde vom anderen aufgehalten. Es war ein wilder, magischer Todestanz, ein Kräftemessen, bei dem niemand sagen konnte, wer den Sieg davontragen würde.
Trotz des Schutzschildes spürte Laura die Magie, die in der Luft lag. Sie schmeckte bitter auf ihrer Zunge. Ihre Haut fühlte sich an, als sei sie statisch aufgeladen. Die Bäume am Rand des Schlachtfelds verdorrten innerhalb von Sekunden, als das Leben aus ihnen herausgezogen wurde.
Nidi lächelte, als er das sah. »Geht dir die Kraft aus, Regin?«, fragte er, musste sich dann jedoch ducken, als entwurzelte Bäume auf ihn zurasten. Er hielt sie mit einer abwehrenden Bewegung auf. Sie zerplatzten, aber die Splitter fielen nicht in den Sand, sondern drehten sich in der Luft und rasten auf Alberich zu. Einige trafen seine Rüstung, doch die meisten wischte er mit der Hand beiseite.
»Ich werde gerade erst warm«, sagte er. Seine Stimme nahm einen merkwürdig hallenden Klang an. Funken tanzten über seine Haut. Seine Gliedmaßen zuckten, die katzenhaften Augen leuchteten auf.
Laura erkannte im gleichen Moment, was geschah.
»Vorsicht, Nidi!«, schrie sie. »Er wird zum Drachen!«
Riesige schwarze Flügel entfalteten sich aus Alberichs Rücken. Glänzende Drachenschuppen bedeckten seine Wangen. Sein Kinn schob sich nach vorn, wurde zu einem Maul.
Nidi rannte auf ihn zu. Ebenso wie Laura musste er wissen, dass der Kampf verloren war, wenn es Alberich gelang, seine Verwandlung zu vollenden. Der Dolch glänzte und funkelte in seiner Hand.
Wurzeln schossen aus der Erde und versuchten, ihn aufzuhalten. Die Klingen der Toten richteten sich auf. Nidi sprang über sie hinweg und durchtrennte die Wurzeln mit seinem Dolch. Alberich schlug mit den Drachenflügeln. Der Windstoß, der über Laura hinwegwehte, roch nach uralter Macht.
Nun verwandelten sich auch seine Arme. Schuppen umschlossen seinen Kopf, machten ihn praktisch unverwundbar. Doch noch immer trennten Nidi mehr als zehn Schritte von Alberich.
Er wird es nicht schaffen, dachte Laura verzweifelt. Alberich verwandelt sich zu schnell.
Im gleichen Moment warf sich Nidi nach vorn. Er holte aus und schleuderte aus dem Flug heraus den Dolch. Dann schlug er auf und rollte sich ab.
Alberich erstarrte.
Sein Blick glitt nach unten, zu seiner Brust, in die sich die Klinge bis zum Griff gegraben hatte. Ihr Leuchten durchdrang seinen Körper. Licht blitzte zwischen Schuppen hervor.
Alberich zitterte plötzlich.
»Ich hatte noch so viel vor«, sagte er.
Noch ein kurzes Innehalten, ein letztes Seufzen.
Dann war es vorbei.
Das Licht zerriss seinen Körper, löste ihn innerhalb von Sekunden auf. Keine Schuppe, kein Rüstungsstück – nichts blieb von Alberich übrig. Auch der Dolch verschwand.
Nidi richtete sich auf und sah Laura an. »Es ist getan. Er ist tot!«
Der Himmel verdunkelte sich. Regen setzte ein. Wie ein Wasserfall fiel er vom Himmel, bildete Sturzbäche, die Leichen und Waffen vom Schlachtfeld spülten. Es war, als wolle das Land sich reinwaschen von dem Schmutz, den Alberich über es gebracht hatte.
Laura hob den Kopf und schloss die Augen. Der warme Regen spülte über ihr Gesicht.
Er ist tot, wiederholte sie in Gedanken, noch zu verwirrt, um es richtig zu erfassen. Nach wochenlangem Kampf und zähem Ringen war es auf einmal vorüber, nach einem kurzen, letzten Augenblick des Schreckens. Wir haben es geschafft. Er ist wirklich tot.
Die Tragweite daraus erschloss sich erst nach und nach. Alberich war einer der ganz Großen gewesen, und nun ... Dahin, für immer. Keine Rückkehr mehr, dies ist endgültig.
Sie glaubte, eins zu werden mit dem Land. Für einen Moment verschmolz sie mit Innistìr und sah. Auf dem letzten Schlachtfeld ließen die Soldaten ihre Schwerter sinken. Spyridon und Yevgenji, blutend und schwitzend, warfen ihre Waffen weg und umarmten sich. Mit Alberichs Tod war der Fluch außer Kraft gesetzt.
Ganz Innistìr warf die Fesseln der Knechtschaft ab. Menschen, Elfen, alle Wesen, die unter Alberich gelitten hatten, traten in den Regen und ließen sich reinwaschen. Laura spürte ihre Freude, so als wäre es ihre eigene.
Nidi trat neben sie. »Du fühlst es auch, nicht wahr?«
Sie ergriff seine Hand und lachte. »Ja. Wir haben es geschafft. Innistìr ist endlich frei.«
Aus den Augenwinkeln betrachtete sie Nidi. Sie würde den kleinen Schrazel
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