Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)

falschen Ort. Du hättest nicht mit ihr in den Wagen steigen dürfen.«
    Der Wind drehte ein wenig und kam jetzt von Westen. Er schmeckte nach Salzwasser, als wehte er vom Meer her, das hinter etlichen Bergketten lag. Joley hob ihr Gesicht in die kühle Brise und atmete tief die Meeresluft ein. Um sie herum raschelten die Äste an den Bäumen, ein leises Murmeln, und das Laub nahm in der Dunkelheit einen silbrigen Schimmer an. Sie hörte den schwachen Klang weiblicher Stimmen, die sich erhoben und einen Gesang aus alter Zeit anstimmten. Lieblich. Eindringlich. Melodiös. Sie erkannte das Anschwellen von Kräften, die sie wie ein schützender Umhang einhüllten.
    »Ein Wagen kommt näher«, kündigte Steve an.

    »Erschießt den Leibwächter, sowie er aussteigt«, befahl Dylan. »Ergreift die anderen.«
    Sie haben vor, dich ohne Warnung niederzuschießen, Ilja. Joley schenkte dem Mann, der ihre Arme packte und sie hinter ihren Rücken riss, während sie Ilja warnte, keinerlei Beachtung. Kehr um. Verschwinde von hier.
    Dylan packte Brian, als der Wagen in einem weiten Bogen auf das Haus zufuhr, benutzte dessen Körper als Schutzschild und zerrte ihn rückwärts zur Tür der Hütte. Joley wurde über das Geländer geworfen, eine Waffe wurde ihr in den Nacken gebohrt, und eine Hand presste sich grob auf ihren Rücken.
    Der Wagen rollte langsam auf die Hütte zu. Die Wächter gaben Schüsse ab, und Kugeln bohrten Löcher in das Fahrzeug, bis es so durchlöchert war wie ein Sieb. Joley konnte es langsam und stetig auf die Veranda zukommen sehen.
    Rühr dich nicht vom Fleck.
    Das war die einzige Vorwarnung, die sie erhielt, bevor der Lauf der Waffe sich plötzlich drehte und sich von ihr abwandte. Sie fühlte den Ruck, der durch den Wächter ging, bevor er zurückgeschleudert wurde. Sein Rücken und seine Arme waren mit Blut bespritzt. Die Waffe fiel zu Boden.
    Jetzt. Zu den Bäumen.
    Joley reagierte sofort und lief auf die Bäume zu. Um sie herum wirbelte und heulte der Wind und erzeugte einen winzigen Orkan. Äste brachen von den Bäumen über ihrem Kopf, wurden zur Veranda geschleudert und schlugen Männer zu Boden. Ilja kam ihr entgegengerannt. Die Waffe in seiner Faust ruckte, versprühte Tod und gab ihr Feuerschutz, als er sie hinter sich zerrte.
    »Runter! Wirf dich flach auf den Boden!«
    Ilja schoss voller Genugtuung drei Kugeln in Steves Kehle, die den Mann zu Boden gehen ließen.
    »Brian. Sie haben Brian«, sagte Joley, während sie tiefer in die Bäume und das Gestrüpp hineinrannte.

    Ilja zielte über Brians Kopf und drückte ab, aber im letzten Moment schaffte es Dylan durch die Tür in die Hütte.
    »Nein! Stell das Feuer ein.« Nikitin packte Iljas Arm. »Du könntest Brian treffen.«
    »Du solltest besser nicht hier sein. Sie wollen deinen Tod. Ich habe es dir doch gesagt, geh in Deckung«, fauchte Ilja.
    In der Ferne hörten sie das Krachen einer Flinte und dann einen weiteren Schuss. Jonas und Aleksandr hielten ihren Fluchtweg frei. Der Wind riss an dem Haus, wirbelte darum herum, löste Bretter und ließ die Fenster klappern. Er nahm an Kraft und Wildheit zu. Schindeln flogen vom Dach.
    Nikitin zog seine Waffe, durchbohrte Ilja mit einem grimmigen Blick und rannte auf die Hütte zu. Ilja fluchte und rannte hinter ihm her. Er schoss auf zwei von Dylans Männern, die Nikitin in die Quere kamen. Der Russe schaffte es trotz des heftigen Windes auf die Veranda und trat gegen die Tür. Ilja packte ihn am Hemd und riss ihn zur Seite, als Kugeln die Tür von innen zersplittern ließen.
    Sergej war kein Feigling und war es auch nie gewesen. Er war es gewohnt, Befehle zu erteilen, und er erwartete Gehorsam von seinen Männern. Er würde Brian in die Hütte folgen, und das sagte Ilja mehr als alles andere, dass seine Gefühle für den Gitarristen durch und durch echt waren, denn Nikitin ging nie ein unnötiges Risiko ein.
    Ilja holte tief Atem und mobilisierte Energien. Die Drake-Schwestern hatten ihre Kräfte miteinander verbunden, und diesen Kraftfluss zapfte er jetzt an, um den Wind zu bündeln, der daraufhin einen Moment lang innehielt und dann mit der Kraft eines Rammbocks gegen die Tür schlug. Die Tür gab nach und krachte auf den Boden; der Wind strömte ins Haus.
    Ein Kugelhagel drang aus dem Innern. Das Mündungsfeuer leuchtete hell in der Dunkelheit. Ilja wartete, bis abrupt Stille eintrat, sandte einen weiteren Windstoß vor sich her, warf sich hin und rollte sich ins Haus, schräg nach links von den