Geschenke für den Kommissar - Kriminalroman
sich wieder um. Was sollte er nur tun? Er fühlte sich nahezu paralysiert. Seine Beklommenheit wurde immer stärker.
Karlo stutzte, als er Leibach über die Straße gehen sah. Er hatte sich umgezogen, trug nun eine blaue Arbeitshose und ein kariertes Hemd. Darüber hatte er eine schwarze ärmellose Stoffweste aus breitem Cord gezogen, über seiner Schulter hing eine große braune Ledertasche. Vor der Tür des gegenüberliegenden Hauses blieb er stehen und drückte auf die Klingel.
Kurz darauf schlüpfte er hinein und die Haustür schloss sich hinter ihm. Karlo runzelte die Stirn. Was hatte sein Mitbewohner im Haus gegenüber zu tun? Doch schnell erlahmte sein Interesse wieder.
Er wollte gerade das Fenster schließen, da hörte er auf dem Bürgersteig vor dem Haus energische Schritte näherkommen. Neugierig lehnte er sich wieder aus dem Fenster.
Die kurzgeschnittenen signalroten Haare stachen ihm sofort in die Augen. Er taxierte die attraktive Dame, die nun vor der Haustür stehenblieb, auf vielleicht Anfang bis Mitte fünfzig. Ihre Garderobe wirkte sorgfältig ausgewählt. Die leicht fülligen Hüften kaschierte sie geschickt mit einem etwas länger gestrickten leichten Cardigan aus hochwertiger Alpakawolle. Das unaufdringliche Ethno-Muster war in blauen und braunen Farbtönen gehalten und passte perfekt zu ihrem farblich geschmackvoll darauf abgestimmten Rock. Eine Frau mit modischem Gespür, befand Karlo. Trotz der flachen Absätze ihrer schlichten blauen Ballerinas schätzte er sie auf über einen Meter siebzig.
Das Verhalten der Frau wirkte mit einem Mal unsicher, passte irgendwie nicht zu der gesamten Haltung, die ihrem Erscheinungsbild eine gewisse Entschlossenheit verlieh.
Sie trat einen Schritt zurück und schaute einen Augenblick zögerlich zu Berwalds Wohnzimmerfenster. Um ein Haar hätte Karlo sich bemerkbar gemacht, um sie zu fragen, ob er helfen könne. Doch dann zog sie ihre Umhängetasche höher auf ihre Schulter und überquerte die Straße.
Vor der gegenüberliegenden Haustür angekommen, ließ sie sich kurz Zeit, bevor sie den Finger auf einen Klingelknopf legte. Einen Moment später war auch sie im Haus verschwunden.
Karlo schloss das Fenster, griff sich erneut sein Bier und schaute es ratlos an. Er stellte es wieder auf den Tisch, ohne davon getrunken zu haben. Dann nahm er sein Handy, setzte sich auf den Sessel und wählte Jeannettes Telefonnummer. Noch während er das Freizeichen hörte, kamen ihm Bedenken. Was sollte er sagen? Wie sollte er bloß anfangen? Bevor Jeannette abnehmen konnte, legte er hastig wieder auf.
Nach fünf Minuten war die Bierflasche so leer wie sein Kopf. Trotzdem nahm er wieder das Handy und wählte erneut die Nummer seiner Ex-Freundin.
Da hörte er den Schuss.
Freitag, 22. Juni
Frankfurt-Fechenheim
6
Wilhelm Berwald saß auf seinem bequemen Ledersessel und dachte nach. Seine Füße hatte er auf einen Hocker hochgelegt. Er griff nach seinem Glas Wein, das neben dem Sessel auf einem kleinen Beistelltischchen stand. Nachdem er einen kleinen Schluck genommen hatte, stellte er das Glas zurück und stand auf.
Es war mittlerweile dunkel geworden, das Licht im Zimmer hatte er noch nicht eingeschaltet. Nur der Schein der gegenüberstehenden Straßenlaterne verschaffte dem Raum einige Konturen, an denen man sich orientieren konnte. Der große achtarmige Deckenleuchter warf vor dem Licht der Laterne einen unheimlichen Schatten an die Wohnzimmerwand, der wie eine riesige, unheimliche Spinne wirkte. Berwald mochte keine riesigen, unheimlichen Spinnen, selbst kleinste Exemplare dieser Gattung waren ihm zuwider. Er bekam eine Gänsehaut und klatschte kräftig in die Hände. Das Licht ging an und die Spinne verschwand. Er grinste über die hübsche technische Spielerei. Manchmal reagierte der akustische Schalter allerdings auch auf andere Geräusche. Das kam aber nicht oft vor, und die kleine technische Fehlleistung nahm er in Kauf.
Er ging zum Fenster, zog einen Vorhang zur Seite und schaute nachdenklich auf die Straße hinaus. Ein Lkw fuhr langsam vorbei. Als der Transporter das Haus passiert hatte, bemerkte Berwald den Mann, der auf der anderen Straßenseite stand und in einer Umhängetasche kramte. Er hatte die Kapuze seines Baumwollpullis weit ins Gesicht gezogen. Eine blödsinnige Mode, so empfand es Berwald, und das bei diesen angenehmen Temperaturen. Der Hausbesitzer registrierte, wie der Kapuzenmann einen Gegenstand aus seiner Tasche zog. Als Berwald das Fenster
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