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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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hätte und es heute eh nicht brauchte. Aber Papa hatte gemeint, ich bräuchte es ja für mehrere Tage und da wäre es besser, wenn ich ein eigenes hätte. Als es dann kein normales mehr gab, hatte er keine Lust gehabt, noch mal zurückzufahren, um Patrizias Fahrrad zu holen. Die Pension lag etwas außerhalb von Rust, ungefähr fünf Minuten mit dem Auto entfernt. Also musste ich das kleine Rad ohne Gänge nehmen, mit dem ich viel mehr treten musste als normal. Noch dazu kam ich mir blöd vor, weil ich viel zu groß dafür war. Das sah sicher bescheuert aus.
    »Du bist doch eine super Sportlerin, freu dich, so bekommst du ein extra Training!«, hatte Papa gesagt. Haha.
    Wir waren gerade erst losgefahren vom Fahrradverleih und standen jetzt auf dem Marktplatz. Auf dem Dach hatte Stefan die Störche entdeckt. Auf dem Schornstein des Rathauses war ihr Nest. Wir guckten jeden Tag nach, was sie machten. Ob sie in ihrem Nest saßen oder ob sie unterwegs waren. Gerade waren sie losgeflogen und ich hatte zum ersten Mal gesehen, wie riesig sie waren. Wenn sie hoch in der Luft waren oder in ihrem Nest saßen, konnte man das gar nicht so sehen.
    Wir folgten dem Radweg aus Rust raus in Richtung Oggau. Papa fuhr vor, dahinter kam Stefan, dann Mama, dann ich. Mama war normalerweise die langsamste, deshalb fuhr ich ganz hinten, damit sie nicht verloren ging. Das hatte ich vorgeschlagen. Sie machte zwar dauernd Diät, aber das half nicht so richtig. Papa war schon immer dünn, genauso wie Stefan, Kerstin, Anne und ich. Er machte viel Sport, spielte Tennis und ging joggen. Er liebte Wanderungen. Mama ging auch lieber wandern als radfahren, aber Stefan hatte sich für heute eine Radtour gewünscht. Zum Glück! Wandern war voll langweilig.
    Seit zwei Jahren war ich im Schwimmen beim DJK und machte Leichtathletik beim Postsportverein. Außerdem wollte ich nach den Sommerferien mit Jazzballett anfangen. Eigentlich würde ich lieber richtiges Ballett machen, aber Mama sagte, das mache die Gelenke kaputt. Ich war also gut trainiert. Trotzdem fand ich es ganz schön anstrengend, mit dem kleinen Rad zu fahren.
    »Können wir mal kurz eine Pause machen?«, rief ich nach vorne. Aber wir hatten Gegenwind und fuhren auf einer Landstraße. Dauernd überholten uns Autos. Mama, die vor mir fuhr, hörte mich nicht. Und Papa erst recht nicht, der war mit Stefan noch viel weiter vorne.
    Nach der Landstraße bogen wir ab auf einen kleineren Schotterweg, der in die Weinberge hochführte. Papa musste auf die Karte gucken und hielt kurz an. So konnten wir Papa und Stefan schnell wieder einholen.
    »Könnt ihr ein bisschen langsamer fahren? Mit dem kleinen Rad ist das voll anstrengend«, sagte ich. Ich war außer Puste und hatte schlechte Laune. Blödes Kinderfahrrad!
    »Janine, motz nicht rum. Das schaffst du schon, da trittst du eben zwei Mal mehr! Das gibt Muckis«, sagte Papa und grinste. »Sogar Mama kommt doch gut mit!«
    »Was heißt hier ›sogar‹! Keine Witze auf meine Kosten! Sonst trete ich im nächsten Gasthaus in den Sitzstreik!«, gab Mama zurück.
    Der Weg ging steiler nach oben, als ich gedacht hatte. Nach fünfzig Metern stieg ich aus dem Sattel, um mehr Kraft zu haben und nicht schieben zu müssen. Plötzlich machte es Ratsch! und ich trat ins Leere. Ich konnte das Gleichgewicht nicht mehr halten und fiel auf den Schotter.
    »Verdammter Mist! Die Kette ist rausgeflogen! Scheiß-Fahrrad!«, brüllte ich und trat im Liegen gegen den Reifen. Mein rechtes Knie war aufgeschürft und blutete leicht. Ich rappelte mich hoch.
    Mama, Papa und Stefan hielten an und drehten sich um. Papa kam die hundert Meter, die er mir voraus gewesen war, wieder zurück.
    »Was ist denn los?«
    »Die Kette ist raus! Blödes Scheiß-Rad!« Ich trat noch mal dagegen.
    »Hör auf zu fluchen, die Kette haben wir schnell wieder drin, dann geht’s weiter. Reg dich ab und spar dir deine Energie fürs Strampeln.«
    Papa stieg ab, hob mein Rad auf und stellte es auf Sattel und Lenker.
    Ich war so wütend! Papa war so doof!
    »Dir ist es doch total egal, ob ich mitkomme oder nicht. Ich bin doch nur ein Klotz am Bein für dich.«
    »Janine, jetzt stell dich nicht so an! Ich mach die Kette wieder rein und dann fahren wir weiter. Das Rad ist völlig okay, es gibt überhaupt keinen Grund, sich so aufzuregen«, sagte Papa und fummelte an der Kette rum.
    »Ich bin es dir doch noch nicht mal wert, ein anständiges Rad zu besorgen! Es ist dir voll egal, ob ich bei euch bin oder

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