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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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Seit dem Drama bei meinem Auszug aus dem Schwesternwohnheim hatte er mich sehr unterstützt und war für mich da gewesen.
    Wir machten uns auf den Weg zum Försterhof, einem teuren Restaurant bin der Nähe in das uns Papa zur Feier des Tages einlud. Langsam spazierten wir nebeneinander her.
    Wenig später saßen wir an einem großen runden Tisch in einer Ecke des Gastraums. Es war erst halb sieben und das Restaurant noch relativ leer. Papa klopfte scherzhaft an sein Glas und räusperte sich absichtlich gekünstelt. Mit verstellter Stimme sagte er: »Silentium!« Ich musste lächeln über Papas Versuch, unsere feierliche Stimmung aufzulockern. Wir waren auch vorher schon ruhig gewesen. Es gab so viel zu sagen und doch waren wir alle schweigsam. Papa wurde ernst: »Jetzt seid ihr langsam alle erwachsen und bald werden nicht nur Kerstin und Anne, sondern auch Stefan und Janine endgültig aus dem Haus sein«, er sah jedem von uns in die Augen. »Während ihr aufgewachsen seid, hatten wir viele tolle Jahre alle zusammen, aber wir hatten auch ganz schreckliche Zeiten, in denen Mama und ich manchmal verzweifelt waren«, er nahm Mamas Hand und drückte sie. Sie nickte und tupfte sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augenwinkeln. Papa fuhr fort: »Diese Zeiten waren für uns alle hart. Jeder von uns hat auf seine Art darunter gelitten. Und jeder von uns hat auf seine Art geholfen, sie zu überstehen. Sicher haben diese Zeiten auch Wunden und Narben hinterlassen. Aber sie haben vor allem eins hinterlassen: eine Familie, die immer zusammenhält und immer zusammengehören wird. Endlich ist das nicht nur in unseren Herzen so, sondern auch auf dem Papier. Das wird sich nie mehr ändern. Das kann uns keiner mehr nehmen und das macht mich sehr, sehr glücklich!« Papa liefen zwei Tränen aus den Augen und Mama schluchzte. Sie sah dabei so glücklich aus, dass es mir kaum gelang, nicht vor lauter Rührung, Glück und Erleichterung mitzuweinen. Ich legte den Arm um sie und blickte in die Runde. Anne, Kerstin, Stefan, Thomas und Papa lächelten und erhoben ihre Gläser. Mama und ich nahmen unsere und wir stießen miteinander an, ohne noch etwas zu sagen. Es war allen klar, worauf wir tranken.
    Seit dem Nachmittag waren wir eine Familie. Ich war kein Pflegekind mehr, sondern endlich einfach nur Janine. Janine Kunze.
    Meine Tochter Lily wurde am 29.Juli 2003 geboren. Sie, ihre beiden Geschwister Lola, geboren am 2.Oktober 2007, und Luiz, geboren am 15.April 2010, und mein Mann Dirk sind heute meine Familie, die ich über alles liebe. Wie meine beiden Mütter habe auch ich jetzt etwas, das mich verletzlich macht, etwas, das ich verlieren könnte und für das ich alles auf der Welt tun würde, weil es mich so unendlich glücklich macht.

 
     
     
     
    [1] Irgendwo tief in mir bin ich ein kleines Kind geblieben.
    Erst dann
    wenn ich’s nicht mehr spüren kann
     
    weiß ich
    es ist für mich zu spät
    zu spät
    zu spät.
     
     
    PETER MAFFAY , Tabaluga



Nachwort
     
     
    Außer dem Armband meiner Oma sind mir aus meiner Kindheit noch einige weitere Erbstücke geblieben. Meine Verlustangst ist eines davon, mein Familiensinn ein anderes. Das ungeliebteste war lange Jahre meine Nase. Durch die Worte des Richters, er stimme unserem Antrag nicht zu, weil ich vielleicht in ein paar Jahren wissen wolle, woher meine Nase komme, blieb sie für mich ein Symbol für die Ignoranz und Willkür, mit der damals über meinen Kopf hinweg entschieden worden war. Seit ich sie mir in meiner Zeit als Krankenschwester dann auch gebrochen hatte und der Knochen nicht mehr ganz gerade zusammengewachsen war, hatte ich endlich einen vernünftigen Grund, sie operieren zu lassen. Jetzt lebe ich glücklich mit einer Nase, die nirgendwo herkommt, nichts bedeutet und einfach nur meine Nase ist.
    Natürlich gibt es auch heute noch viele Momente, in denen ich an meine leibliche Mutter denke. Ich hoffe, dass es ihr gut geht, und bin ihr nach wie vor dankbar. Für mich ist sie auf ihre Weise eine ganz besondere Frau.
    Ihre Art, mit den Dingen umzugehen, ist sicherlich nicht meine, aber ohne ihre Entscheidungen würde ich heute nicht das Leben führen, das ich führe. Ich habe eine tolle Zeit gehabt bis jetzt, das kann ich nicht anders sagen. Ich bin glücklich, heute sagen zu können, dass ich mit ihr im Reinen bin.
    Meine leibliche Mutter mag unbewusst im richtigen Moment die entscheidenden Weichen gestellt haben, wirklich Bewundernswertes haben aber vor

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