Geschichte der deutschen Sprache
nicht indoeuropäischen Ursprungs sind, sondern zu anderen Sprachfamilien gehören; hierzu zählen das Türkische (das zu den Turksprachen zählt), das Finnische und das Ungarische (die zur finno-ugrischen Sprachfamilie gehören) sowie das Baskische (als einzige vorindoeuropäische Sprache in Westeuropa, die noch heute gebraucht wird).
1.2 Germanisch
Das Deutsche gehört also zur germanischen Sprachfamilie. Was aber zeichnet nun die germanischen gegenüber anderen indoeuropäischen Sprachen aus? Zunächst einmal ihre räumliche und zeitliche Einordnung : Etwa zwei Jahrtausende vor Christi Geburt beginnen sich germanische Stämme in einem Gebiet westlich der Ostsee niederzulassen und dabei eigene kulturelle wie auch sprachliche Traditionen zu entwickeln. Dass dies in Auseinandersetzung mit anderen Völkern (darunter auch mit den südlich hiervon siedelnden Kelten) geschieht, ist noch immer an dem Wortschatz der germanischen Sprachen zu erkennen, von dem etwa ein Drittel nicht in anderen indoeuropäischen Sprachen wieder zu finden ist; hierzu gehören vor allem Wörter aus den Bereichen Schifffahrt (zum Beispiel
Kiel
,
Mast
oder
Ebbe
), Gesellschaft (beispielsweise
König
,
Adel
oder
Volk
) oder auch Kriegswesen (unter anderen
Krieg
,
Friede
oder
Schwert
).
Darüber hinaus zeigen die germanischen Sprachen eine eigene lautliche Entwicklung , die erst um 500 v. Chr. als abgeschlossen gelten kann. Diese Lautentwicklung ist vor allem durch zwei Erscheinungen geprägt. Die erste besteht in dem sog. Akzentwandel, bei dem sich die Betonung innerhalb einzelner Wörter ändert: In den indoeuropäischen Sprachen kann die Betonung auf verschiedenen Silben liegen und bei der Wortbeugung (Flexion) wechseln; zum Beispiel im Lateinischen bei
Germáni
(Nominativ Plural) und
Germanórum
(Genitiv Plural). In den germanischenSprachen wird dagegen nach Abschluss des Akzentwandels zumeist allein die Stammsilbe betont; so etwa im Deutschen bei
Lób
,
lóben
und
verlóben
. Die zweite Erscheinung wird als
erste
(oder:
germanische
)
Lautverschiebung
bezeichnet. Sie tritt als sog. Lautgesetz regelhaft auf und betrifft eine ganze Reihe an Mitlauten (Konsonanten). Dies ist anhand folgender Aufstellung, in der einige germanische und englische Wörter ihren indoeuropäischen Entsprechungen gegenübergestellt werden, leicht abzulesen (dabei sind die mit * gekennzeichneten Wörter rekonstruiert, die indoeuropäischen Laute
bh
,
dh
und
gh
werden jeweils gehaucht gesprochen):
Indoeuropäisch
Germanisch
Englisch
p
*päter
f
fadar
father
t
*tod
th
thata
that
k
*ker
h
haúrn
horn
b
*ablu
p
apli
apple
d
*dwou
t
twai
two
g
*agros
k
akrs
acre
bh
*bher-
b
bairan
bear
dh
*medhios
d
midjis
middle
gh
*ghabh
g
giban
give
Die grammatischen Besonderheiten , die die germanischen von den anderen indoeuropäischen Sprachen unterscheiden, sollen hier nur kurz erwähnt werden: Erstens die Vereinfachung der Beugung von Substantiven und Adjektiven (Deklination) von acht Fällen (Kasus) auf sechs und weniger. Zweitens die Vereinfachung der Verbbeugung (Konjugation), wobei zum einen Einzahl und Mehrzahl (Singular und Plural) erhalten bleiben und der Dual (der eine Zweiheit zum Ausdruck bringt) nach und nach verschwindet und zum anderen die Aussageweisen (Modi) von fünf auf drei (Indikativ, Konjunktiv und Imperativ) vermindert werden. Und drittens die Herausbildung der doppelten Beugung von Adjektiven, bei der Adjektive entweder stark oder (bei bestimmtem Artikel) schwach dekliniert werden.
Die ältesten sprachlichen Zeugnisse des Germanischen sinduns von den Römern überliefert. Diese Überlieferungen zeigen, dass die Sprache der Germanen um Christi Geburt mehr oder weniger einheitlich, also ohne größere regionale Abweichungen verwendet wurde. Eine Aufspaltung dieses sog. Gemeingermanischen in verschiedene Einzelsprachen erfolgt erst in den kommenden Jahrhunderten mit einer zunehmenden Verselbständigung einzelner germanischer Stämme im Rahmen der sog. Völkerwanderung. Die allgemein übliche Fünf-Gliederung dieser Stämme in Nordgermanen, Nordseegermanen, Weser-Rhein-Germanen, Elbgermanen und Oder-Weichsel-Germanen ist bis heute nicht unumstritten. Dies ist auch kaum verwunderlich: Sind deren Kultur und Sprachen doch nur bruchstückhaft und erst ab dem 8. Jahrhundert schriftlich überliefert – mit wenigen Ausnahmen, allen voran der gotischen Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila aus der Mitte des 4. Jahrhunderts, welche uns in einer Abschrift
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