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Geschichte der deutschen Wiedervereinigung

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Titel: Geschichte der deutschen Wiedervereinigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Rödder
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aussieht: weder wurden nämlich die Grenzen geöffnet noch die Kontrollen beseitigt. Vielmehr blieben die Regelungen in Kraft, denen zufolge DDR-Bürger nicht über Ungarn in den Westen ausreisen durften: Versuchten sie, über Ungarn zu fliehen und wurden sie dabei aufgegriffen, so wurden sie mitsamt den Ermittlungsakten an die DDR ausgeliefert und dort als «Republikflüchtlinge» behandelt, was in der Regel eine mehrjährige Gefängnisstrafe zur Folge hatte.
    Diese Praxis wurde im Laufe des Jahres 1989 zunehmend gelockert. Aufgegriffene Flüchtlinge wurden nicht mehr automatisch und mit entsprechendem Passvermerk an die DDR ausgeliefert. Virulent wurden diese Fragen mit der Feriensaison, als Urlauber aus der DDR wie in jedem Jahr in großer Zahl nach Ungarn strömten. Über hundert versuchten, ihre Ausreise über die Botschaft der Bundesrepublik in Budapest zu erzwingen. Auf mehrere tausend hingegen wurde die Zahl derjenigen Ostdeutschen in Ungarn geschätzt, die zwar nicht in die Botschaft kamen, aber auch nicht in die DDR zurückkehren wollten.
    In dieser Situation wurde bekannt, dass in Sopron an der ungarisch-österreichischen Grenze ein «Paneuropäisches Picknick» veranstaltet und ein Grenztor symbolisch geöffnet werden sollte. 661 Menschen flohen bei dieser Gelegenheit am 19. August nach Österreich – es war das erste jener dramatischen Ereignisse, die schließlich im Herbst 1989 kulminierten.Drei Tage nach dem Paneuropäischen Picknick überwanden erneut 240 Menschen die österreichisch-ungarische Grenze, diesmal allerdings ohne Vorabsprache mit den Grenztruppen. Die Situation spitzte sich zu, und am Tag darauf verhinderten Grenztruppen erneute Übertritte mit Waffengewalt, wobei mehrere Flüchtlinge verletzt wurden. Da Ungarn der großen Zahl ausreisewilliger Ostdeutscher mit Rücksicht auf seine Verpflichtungen im Warschauer Pakt nicht einfach die Ausreise gewähren konnte, errichteten die ungarischen Behörden Flüchtlingslager, in denen sich am 3. September nach offizieller Auskunft 5000 Menschen aufhielten – und täglich kamen 500 Neuankömmlinge hinzu.
    Die SED-Führung trug nichts zur Lösung des Problems bei; sie reagierte stattdessen unbeweglich und mit den gewohnten orthodox-ideologischen Reflexen. Deshalb wandte sich die ungarische Führung nach Bonn. Am 25. August trafen der Ministerratsvorsitzende Miklós Németh und Außenminister Gyula Horn zu einer streng geheimen Zusammenkunft mit Bundeskanzler Helmut Kohl und seinem Außenminister Hans-Dietrich Genscher auf Schloss Gymnich bei Bonn ein. Ohne große Umschweife legte Németh, so das von Genscher diktierte Protokoll, die schweren ökonomischen Probleme in Ungarn auf den Tisch. Unterstützung aus dem Westen sei dringend notwendig, um den ungarischen Reformkurs fortsetzen zu können. Dafür, so war klar, wenn auch nicht im Protokoll festgehalten, würde sich die ungarische Regierung in der Frage der Ostdeutschen in Ungarn behilflich zeigen.
    Ende August setzte Budapest der Ost-Berliner Führung die Pistole auf die Brust: Ungarn werde die bilateralen Abkommen mit der DDR kündigen und die Flüchtlinge ausreisen lassen, wenn die DDR nicht bis zum 10. September eine Lösung finde. Die DDR-Führung war aber nur bereit, den in Ungarn befindlichen Ausreisewilligen Straf- und Schikanefreiheit bei Rückkehr und eine beschleunigte Bearbeitung ihrer Ausreiseanträge zuzugestehen. Das löste die Probleme in Budapest nicht.
    So öffnete Ungarn am 11. September 1989 seine Grenzen nach Österreich, und bis zum Ende des Monats siedelten 30.000Ostdeutsche via Ungarn in die Bundesrepublik über. Sie gehörten in hohem Maße zu den unzufriedenen, nicht offen oppositionell agierenden Funktionseliten, die einmal mehr – wie schon zu Kriegsende, unter sowjetischer Besatzung und nach 1949 bis zum Mauerbau – das Gebiet der DDR verließen, wo ihr Fehlen die Versorgungsmängel weiter verschärfte. Zugleich projizierten die westdeutschen Medien die Massenflucht aus der DDR in das Land zurück und übermittelten unentwegt das Glück der erfolgreich Geflohenen. All dies verstärkte die grassierende Unzufriedenheit – und den Ausreisesog, der sich nun, da die DDR keine Reisegenehmigungen nach Ungarn mehr bewilligte, nach Prag und Warschau verschob.
    Ende September nahm die Zahl der Botschaftsflüchtlinge explosionsartig zu: In Prag stieg sie von 1046 am 26. September auf etwa 4000 vier Tage später, über 600 waren es in Warschau am 29. September. Die

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