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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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war, als ginge es um Schattierungen innerhalb ein und derselben "revolutionären Demokratie". Allerdings vollzog die Leitung der Sowjets mit der Ankunft Zeretellis aus der Verbannung (19. März) eine schroffe Wendung nach rechts, in die Richtung der direkten Verantwortung für die Regierung und den Krieg. Doch auch die Bolschewiki schwenkten Mitte März unter dem Einfluß der aus der Verbannung angekommenen Kamenjew und Stalin schroff nach rechts, so daß die Distanz zwischen der Sowjetmehrheit und der linken Opposition Anfang April wohl geringer war als Anfang März. Die eigentliche Differenzierung begann etwas später. Man kann sogar ihr genaues Datum nennen: am 4. April, dem Tag nach der Ankunft Lenins m Petrograd.
    Die Partei der Menschewiki hatte an den Spitzen ihrer verschiedenen Richtungen eine Reihe hervorragender Gestalten, aber nicht einen revolutionären Führer. Der äußerste rechte Flügel, vertreten durch die alten Lehrer der russischen Sozialdemokratie, Plechanow, Wera Sassulitsch, Deutsch, stand schon unter dem Selbstherrschertum auf der patriotischen Position. Gerade am Vorabend der Februarrevolution schrieb Plechanow, der sich selbst jämmerlich überlebte, in einer amerikanischen Zeitung, Streiks und andere Kampfesarten der Arbeiter in Rußland wären jetzt ein Verbrechen. Breitere Kreise der alten Menschewiki, darunter Gestalten wie Martow, Dan, Zeretelli, zählten sich zum Lager von Zimmerwald und lehnten die Verantwortung für den Krieg ab. Doch der Internationalismus der linken Menschewiki wie der der linken Sozialrevolutionäre war in den meisten Fällen eine Deckung für ihre demokratisch-oppositionelle Stellung. Die Februarrevolution versöhnte die Mehrheit dieser "Zimmerwalder" mit dem Krieg, in dem sie von nun an die Verteidigung der Revolution entdeckten. Mit der größten Entschlossenheit betrat diesen Weg Zeretelli, der Dan und andere hinter sich herzog. Martow, der den Beginn des Krieges in Frankreich erlebte und erst am 9. Mai aus dem Ausland eintraf, konnte nicht übersehen, daß seine gestrigen Gesinnungsgenossen nach der Februarrevolution dort angelangt waren, wo Guesde, Sembat und andere im Jahre 1914 begonnen hatten, als sie die Verteidigung der bürgerlichen Republik gegen den deutschen Absolutismus auf sich nahmen. Sich an die Spitze des linken Flügels der Menschewiki stellend, dem es nicht gelang, sich zu irgendeiner ernsten Rolle in der Revolution zu erheben, blieb Martow in Opposition zu der Politik Zeretelli-Dan, wobei er gleichzeitig der Annäherung der linken Menschewiki an die Bolschewiki entgegenwirkte. Im Namen des offiziellen Menschewismus trat Zeretelli auf, hinter dem eine unbestrittene Mehrheit stand: die vorrevolutionären Patrioten vereinigten sich mühelos mit den Patrioten des Februaraufgebots. Plechanow hatte allerdings seine eigene, ganz chauvinistische Gruppe, die außerhalb der Partei und sogar außerhalb des Sowjets stand. Martows Fraktion, die die gemeinsame Partei nicht verließ, hatte keine eigene Zeitung, wie sie auch keine eigene Politik besaß. Wie stets während großer historischer Ereignisse, verlor Martow hoffnungslos den Kopf und hing in der Luft. Im Jahre 1917, wie im Jahre 1905, hat die Revolution diesen hervorragenden Menschen fast nicht bemerkt.
    Zum Vorsitzenden des Petrograder Sowjets und später des Zentral-Exekutivkomitees wurde fast automatisch der Vorsitzende der menschewistischen Dumafraktion, Tschcheidse. Er war bestrebt, den ganzen Vorrat seiner Gewissenhaftigkeit in seine Pflichten hineinzutragen, wobei er seine stete Unsicherheit durch eine simple Scherzhaftigkeit verschleierte. Auf ihm lag der unauslöschliche Stempel seiner Provinz. Das bergige Georgien, das Land der Sonne, der Weingärten, Bauern und des Kleinadels, mit einem geringen Prozent von Arbeitern, hat eine breite Schicht linker Intellektueller hervorgebracht, die, geschmeidig, temperamentvoll, sich jedoch in ihrer erdrückenden Mehrheit nicht über den kleinbürgerlichen Horizont erhob. In alle vier Dumas schickte Georgien Menschewiki als Deputierte, und in allen vier Fraktionen spielten seine Deputierten die Rolle von Führern. Georgien wurde die Gironde der Russischen Revolution. Beschuldigte man die Girondisten des 18. Jahrhunderts des Föderalismus, so endeten die Girondisten Georgiens, die mit der Verteidigung des einen und unteilbaren Rußlands begonnen hatten, beim Separatismus.
    Die markanteste Figur, die die georgische Gironde hervorgebracht hat, war

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