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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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und legte so seinen gesamtstaatlichen Charakter fest.
    Der rechte Flügel war noch mehr gefestigt worden. Von nun an schreckte man die Unzufriedenen immer häufiger mit der Provinz. Die Bestimmung über die Regelung der Zusammensetzung des Petrograder Sowjets, angenommen noch am 14. März, wurde fast nicht durchgeführt. Beschlüsse würden ja doch nicht vom lokalen Sowjet gefaßt, sondern vom Allrussischen Exekutivkomitee. Die offiziellen Führer nahmen eine fast unnahbare Position ein. Wichtigere Beschlüsse wurden im Exekutivkomitee, richtiger in seinem regierenden Kern getroffen, nach vorheriger Übereinkunft mit dem
    Kern der Regierung. Der Sowjet stand beiseite. Man behandelte ihn wie ein Meeting: "Nicht dort, nicht in den Vollversammlungen wird die Politik gemacht, und alle diese "Plenums" haben nicht die geringste praktische Bedeutung" (Suchanow). Die selbstzufriedenen Vollstrecker der Geschicke waren der Ansicht, die Sowjets hätten, nachdem sie h-nen die Führung anvertraut, eigentlich ihre Rolle erfüllt. Die nächste Zukunft wird zeigen, daß dem nicht so war. Die Masse kann sehr geduldig sein, aber sie ist keineswegs Lehm, den man nach Belieben kneten kann. Und in revolutionären Epochen lernt sie schnell. Darin besteht eben die wesentliche Stärke der Revolution.
    Um die weitere Entwicklung der Ereignisse besser zu verstehen, muß man bei der Charakteristik jener zwei Parteien verweilen, die seit dem Beginn der Revolution einen engen Block geschlossen hatten, in den Sowjets, den demokratischen Munizipalitäten, auf den Kongressen der sogenannten revolutionären Demokratie herrschten und sogar ihre, allerdings mehr und mehr dahinschmelzende Mehrheit hinüberretteten bis zur Konstituierenden Versammlung, die zum letzten Abglanz ihrer entschwundenen Macht wurde, wie die Abendröte auf einem Berggipfel noch leuchtet von der untergegangenen Sonne.
    Kam die russische Bourgeoisie zu spät, um demokratisch zu sein, so wollte sich die russische Demokratie aus demselben Grunde als sozialistisch betrachten. Die demokratische Ideologie hatte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts hoffnungslos verausgabt. An der Grenze des 20. war für die russische radikale Intelligenz, wollte sie Zugang zu den Massen finden, eine sozialistische Färbung notwendig. Das ist die allgemeine historische Ursache, die zur Entstehung der Mittelparteien führte: der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre. Jede von ihnen hatte indes ihre eigene Genealogie und ihre eigene Ideologie.
    Die Ansichten der Menschewiki erwuchsen auf marxistischer Basis. Infolge der nämlichen historischen Verspätung Rußlands wurde hier der Marxismus anfänglich nicht so sehr Kritik der kapitalistischen Gesellschaft wie Begründung der Unvermeidlichkeit der bürgerlichen Entwicklung des Landes. Die Geschichte hat, als sie es bräuchte, die kastrierte Theorie der proletarischen Revolution geschickt dazu benutzt, um mit ihrer Hilfe breite Kreise muffiger Narodniki-Intellektueller in bürgerlichem Geiste zu europäisieren. Den Menschewiki wurde in diesem Prozeß ein großer Platz zugewiesen. Den linken Flügel der bürgerlichen Intelligenz bildend, verbanden sie diese mit den gemäßigtsten Zwischenschichten jener Arbeiter, die zur legalen Arbeit in der Duma und in den Gewerkschaften neigten.
    Die Sozialrevolutionäre hingegen bekämpften, ihm teilweise erliegend, theoretisch den Marxismus. Sie hielten sich für die Partei, die das Bündnis zwischen Intelligenz, Arbeitern und Bauern verwirklichte, selbstverständlich unter Leitung der kritischen Vernunft. Auf ökonomischem Gebiet stellten ihre Ideen einen unverdaulichen Mischmasch verschiedener historischer Schichtungen dar, die die Gegensätze in den Daseinsbedingungen der Bauernschaften und die des in schneller kapitalistischer Entwicklung befindlichen Landes widerspiegelten. Die zukünftige Revolution dachten sich die Sozialrevolutionäre weder als bürgerlich noch als sozialistisch, sondern als "demokratisch": den sozialen Inhalt ersetzten sie durch eine politische Formel. Sie zeichneten sich auf diese Weise einen Weg vor zwischen Bourgeoisie und Proletariat, folglich auch die Rolle eines Schiedsrichters über beide. Nach dem Februar konnte es scheinen, die Sozialrevolutionäre seien einer solchen Stellung sehr nahe gekommen.
    Noch von der ersten Revolution her hatten sie Wurzeln in der Bauernschaft. In den ersten Monaten des Jahres 1917 machte sieh die gesamte Dorfintelligenz die traditionelle Formel der

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