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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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bürgerlichen Regierung kämpfte, Arbeiter, Bauern und Soldaten unterdrückte und am 25. Oktober auf dem Posten einer Verbündeten und Schützerin der Bourgeoisie fiel. Und es war von Anfang an klar: wenn die Demokratie, die vor sich gigantische Aufgaben und in den Massen uneingeschränkte Unterstützung hatte, freiwillig auf die Macht verzichtete, geschah dies nicht aus politischen Prinzipien oder Vorurteilen heraus, sondern infolge der Hoffnungslosigkeit der Lage des Kleinbürgertums in der kapitalistischen Gesellschaft, besonders in der Periode von Krieg und Revolution, wo es um die grundlegenden Existenzfragen von Ländern, Völkern und Klassen geht. Indem es Miljukow das Zepter aushändigte, sagte das Kleinbürgertum: nein, diese Aufgaben gehen über meine Kraft.
    Die Bauernschaft, die auf ihrem Rücken die Versöhnlerdemokratie emporgehoben hatte, schließt alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft in deren Urform ein. Gemeinsam mit dem städtischen Kleinbürgertum, das jedoch in Rußland niemals eine ernsthafte Rolle gespielt hat, bildete sie jenes Protoplasma, aus dem sich in der Vergangenheit die neuen Klassen differenzierten und in der Gegenwart weiter differenzieren. Die Bauernschaft hat immer zwei Gesichter: eines dem Proletariat zugewandt, das andere der Bourgeoisie. Die zwischenstufliche, vermittelnde, versöhnlerische Position "bäuerlicher" Parteien, von der Art der Sozialrevolutionäre, kann sich nur unter den Bedingungen eines relativen politischen Stillstandes halten; in einer revolutionären Epoche tritt unvermeidlich der Moment ein, wo das Kleinbürgertum wählen muß. Die Sozialrevolutionäre und Menschewiki trafen ihre Wahl in der ersten Stunde. Sie liquidierten im Keime die "demokratische Diktatur", um sie zu hindern, eine Brücke zur Diktatur des Proletariats zu werden. Doch gerade damit hatten sie der letzteren den Weg geöffnet, nur vom anderen Ende: nicht durch sie, sondern gegen sie.
    Die weitere Entwicklung der Revolution konnte offenbar nur von neuen Tatsachen, nicht aber von alten Schemen ausgehen. Durch ihre Vertretung wurden die Massen, halb gegen ihren Willen, halb ohne ihr Wissen in die Mechanik der Doppelherrschaft hineingezogen. Sie mußten von nun an durch diese hindurchgehen, um sich durch Erfahrung zu überzeugen, daß sie ihnen weder Frieden noch Land geben könne. Vom Regime der Doppelherrschaft sich abzuwenden, bedeutet für die Massen von nun an, mit den Sozialrevolutionären und Menschewiki zu brechen: Es ist aber ganz offensichtlich, daß die politische Wendung der Arbeiter und Soldaten zu den Bolschewiki den ganzen Bau der Doppelherrschaft umwarf und nichts anderes mehr bedeuten konnte als die Errichtung der Diktatur des Proletariats, die sich auf das Bündnis der Arbeiter und Bauern stützte. Im Falle einer Niederlage der Volksmassen konnte auf den Ruinen der bolschewistischen Partei nur die Militärdiktatur des Kapitals entstehen. Die "demokratische Diktatur" war in beiden Fällen ausgeschlossen. Auf sie den Blick gerichtet, wandten die Bolschewiki faktisch das Gesicht dem Gespenst der Vergangenheit zu. In dieser Lage fand sie Lenin, der mit der unbeugsamen Absicht gekommen war, die Partei auf einen neuen Weg zu führen.
    Die Formel der demokratischen Diktatur hatte allerdings auch Lenin selbst bis zum Beginn der Februarrevolution durch keine andere ersetzt, weder bedingt noch hypothetisch. War das richtig? Wir glauben, nein. Was in der Partei nach der Umwälzung vor sich ging, enthüllte allzu bedrohlich die Verspätung der Umbewaffnung, die noch dazu unter den gegebenen Umständen nur Lenin vornehmen konnte. Er hatte sich darauf vorbereitet. Im Feuer des Krieges seinen Stahl bis zur Weißglut erhitzt und wiederholt umgeschmiedet. Es veränderte sich in seinen Augen die Gesamtperspektive des historischen Prozesses. Die Erschütterungen des Krieges hatten die möglichen Fristen der sozialistischen Revolution im Westen stark verkürzt. Die für Lenin noch immer demokratisch gebliebene Russische Revolution sollte der sozialistischen Umwälzung in Europa einen Anstoß geben, die dann auch das zurückgebliebene Rußland in ihren Strudel hineinziehen müßte. Das war die allgemeine Konzeption Lenins, als er Zürich verließ. Der von uns bereits zitierte Brief an die Schweizer Arbeiter lautet: "Rußland ist ein Bauernland, eines der rückständigsten europäischen Länder. Unmittelbar kann der Sozialismus dort nicht sofort siegen. Doch der bäuerliche Charakter des Landes

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