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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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kann angesichts des heute noch erhalten gebliebenen gewaltigen Bodenbestandes der adligen Gutsbesitzer, auf der Basis der Erfahrung von 1905, der bürgerlich-demokratischen Revolution in Rußland einen ungeheuren Schwung verleihen und unsere Revolution in den Prolog zur sozialistischen Weltrevolution verwandeln, in eine Stufe zu dieser." In diesem Sinne schrieb Lenin jetzt zum erstenmal daß das russische Proletariat die sozialistische Revolution beginnen werde.
    Dies war das Bindeglied zwischen der alten Position des Bolschewismus, die die Revolution auf demokratische Ziele begrenzte, und der neuen Position, die Lenin in seinen Thesen vom 4. April zum erstenmal der Partei bekanntgab. Die Perspektive des unmittelbaren Überganges zur Diktatur des Proletariats kam ganz überraschend, der Tradition widersprechend, und wollte einfach in die Köpfe nicht hinein. Es ist notwendig, hier daran zu erinnern, daß man bis zum Ausbruch der Februarrevolution und in der ersten Zeit danach unter Trotzkismus nicht den Gedanken verstand, daß man innerhalb der nationalen Grenzen Rußlands keine sozialistische Gesellschaftsordnung aufzubauen vermag (der Gedanke an eine solche "Möglichkeit" wurde bis zum Jahre 1924 überhaupt von niemand ausgesprochen und kam wohl keinem in den Sinn), - Trotzkismus nannte man den Gedanken, daß das Proletariat Rußlands früher als das Proletariat des Westens zur Macht gelangen und in diesem Falle sich nicht im Rahmen der demokratischen Diktatur halten kann, sondern an die ersten sozialistischen Maßnahmen herangehen muß. Es ist nicht verwunderlich, daß man die Aprilthesen Lenins als trotzkistisch brandmarkte.
    Die Einwände der "alten Bolschewiki" bewegten sich auf verschiedenen Linien. Der Hauptstreit ging um die Frage, ob die bürgerlich-demokratische Revolution abgeschlossen sei. Da die Agrarumwälzung sich noch nicht vollzogen hatte, konnten Lenins Gegner mit vollem Recht behaupten, die demokratische Revolution sei nicht zu Ende geführt, und daraus folgern, es gäbe für die Diktatur des Proletariats auch dann keinen Platz, wenn die sozialen Verhältnisse Rußlands diese in einer mehr oder weniger nahen Zukunft ermöglichen sollten. Gerade so hatte die Redaktion der Prawda in dem von uns bereits angeführten Zitat die Frage gestellt. Später, auf der Aprilkonferenz, wiederholte Kamenjew:
    "Lenin hat nicht recht, wenn er sagt, die bürgerlich-demokratische Revolution sei abgeschlossen ... Der klassische Rest des Feudalismus - der gutsherrliche Bodenbesitz - ist noch nicht liquidiert ... Der Staat nicht in eine demokratische Gesellschaft umgewandelt ... Es ist verfrüht zu sagen, die bürgerliche Demokratie habe alle ihre Möglichkeiten erschöpft." "Die demokratische Diktatur", erwiderte Tomski, "das ist unsere Basis ... Wir müssen die Macht des Proletariats und der Bauernschaft organisieren und sie von der Kommune trennen, da dort die Macht nur dem Proletariat gehört."
    "Vor uns stehen gewaltige revolutionäre Aufgaben", stimmte ihnen Rykow bei. "Aber die Verwirklichung dieser Aufgaben führt uns über den Rahmen des bürgerlichen Regimes noch nicht hinaus."
    Lenin sah gewiß nicht weniger scharf als seine Opponenten, daß die demokratische Revolution nicht abgeschlossen war, richtiger, daß sie, kaum angefangen, schon zurückzurollen begann. Aber eben daraus folgte, daß sie lediglich unter der Herrschaft der neuen Klasse zu Ende zu führen war und daß man dazu nur gelangen könnte, wenn man die Massen dem Einfluß der Menschewiki und Sozialrevolutionäre entriß, das heißt dem indirekten Einfluß der liberalen Bourgeoisie. Die Verbindung dieser Parteien mit den Arbeitern und insbesondere mit den Soldaten wurde durch die Idee der Verteidigung genährt - der "Verteidigung des Landes" oder der "Verteidigung der Revolution". Lenin forderte deshalb: unversöhnliche Politik in Beziehung auf alle Schattierungen des Sozialpatriotismus, Trennung der Partei von den rückständigen Massen, um dann diese Massen von ihrer Rückständigkeit zu befreien. "Den alten Bolschewismus muß man aufgeben", sagte er wiederholt. "Es ist notwendig, die Scheidelinie zwischen Kleinbürgertum und Lohnproletariat zu ziehen."
    Einem oberflächlichen Blick mochte es scheinen, alte Gegner hätten ihr Rüstzeug getauscht. Menschewiki und Sozialrevolutionäre vertraten jetzt die Mehrheit der Arbeiter und Soldaten und verwirklichten gleichsam in der Tat das politische Bündnis zwischen Proletariat und Bauernschaft, das

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