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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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der Rede.
    "Die gegenwärtige Regierung, das ist der Sowjet der Arbeiterdeputierten ... Im Sowjet ist unsere Partei in der Minderheit ... Nichts zu machen! Es bleibt uns nur das Irrige ihrer Taktik nachzuweisen, geduldig, beharrlich, systematisch. Solange wir in der Minderheit sind, leisten wir die Arbeit der Kritik, um die Massen vor Betrug zu bewahren. Wir wollen nicht, daß die Massen uns aufs Wort glauben. Wir sind keine Scharlatane. Wir wollen, daß die Massen durch Erfahrung sich von ihren Irrtümern befreien." Nicht fürchten, in der Minderheit zu bleiben! Nicht für immer, nur für eine Zeit. Die Stunde des Bolschewismus wird schlagen. "Unsere Linie wird sich als richtig erweisen ... Zu uns wird jeder Unterdrückte kommen, weil der Krieg ihn zu uns bringen wird, anderen Ausweg hat er nicht."
    "Auf der "Vereinigungs"konferenz", berichtet Suchanow, "erschien Lenin als lebendige Verkörperung der Spaltung ... Ich erinnere mich an Bogdanow (ein angesehener Menschewik), der zwei Schritt entfernt von der Rednertribüne saß. "Das ist ja Fieberwahn, unterbrach er Lenin, "der Fieberwahn eines Irrsinnigen! ... Es ist eine Schande, diesem Gali-mathias zu applaudieren", schrie er, zum Auditorium gewandt, blaß vor Zorn und Verachtung, "ihr schändet euch selbst! Marxisten!""
    Das ehemalige Mitglied des bolschewistischen Zentralkomitees, Goldenberg, der zu jener Zeit außerhalb der Partei stand, bewertete in der Diskussion Lenins Thesen mit folgenden vernichtenden Worten: "Viele Jahre blieb der Platz Bakunins in der Russischen Revolution unbesetzt, jetzt ist er von Lenin besetzt worden."
    "Sein Programm wurde damals nicht so sehr mit Entrüstung wie mit Hohn aufgenommen", schrieb später der Sozialrevolutionär Sensinow, "derart sinnlos und ausgeklügelt erschien es allen."
    Am Abend desselben Tages kam bei einer Unterhaltung zweier Sozialisten mit Miljukow, vor der Türe der Kontaktkommission das Gespräch auf Lenin. Skobeljew schätzte ihn ein als "einen vollkommen erledigten, außerhalb der Bewegung stehenden Menschen". Suchanow schloß sich der Skobeljewschen Bewertung an und fügte hinzu, "Lenin ist in solchem Maße für keinen akzeptabel, daß er im Augenblick meinem Gesprächspartner Miljukow ganz ungefährlich ist". Die Rollenverteilung bei dieser Unterhaltung war jedoch ganz nach Lenin: Sozialisten wachten über die Ruhe der Liberalen und bewahrten sie vor Sorgen, die diesen aus dem Bolschewismus erwachsen konnten.
    Sogar bis zum britischen Gesandten gelangten die Gerüchte darüber, daß Lenin als schlechter Marxist erkannt worden war. "Unter den neu eingetroffenen Anarchisten ...", schreibt Buchanan, "war Lenin, der im plombierten Wagen aus
    Deutschland kam. Er erschien öffentlich zum erstenmal in der Versammlung der Sozialdemokratischen Partei und wurde schlecht empfangen."
    Nachsichtiger als die anderen verhielt sich zu Lenin in jenen Tagen wohl Kerenski, der im Kreise der Mitglieder der Provisorischen Regierung plötzlich erklärte, er gedenke Lenin aufzusuchen, und auf die erstaunten Fragen erläuterte: "Er lebt doch in einer völlig isolierten Atmosphäre, er weiß nichts, sieht alles durch die Brille seines Fanatismus, niemand ist um ihn, der ihm auch nur einigermaßen helfen könnte, sich darüber, was geschieht, zu orientieren." So die Zeugenaussage Nabokows. Aber Kerenski fand dann doch nicht die freie Zeit, Lenin darüber, was geschah, zu orientieren.
    Lenins Aprilthesen hatten nicht nur die erstaunte Entrüstung der Feinde und Gegner hervorgerufen. Sie stießen eine Reihe alter Bolschewiki in das Lager des Menschewismus ab oder in die Zwischengruppe, die sich um die Zeitung Gorkis zusammenschloß. Ernste politische Bedeutung hat dieser Abgang nicht gehabt. Unermeßlich wichtiger ist der Eindruck, den Lenins Stellung auf die führende Parteischicht ausübte. "In den ersten Tagen nach seiner Ankunft", schreibt Suchanow, "war seine völlige Isoliertheit unter den aufgeklärten Parteigenossen zweifellos ... Sogar seine Parteigenossen, die Bolschewiki", bestätigt der Sozialrevolutionär Sensinow, "wandten sich verlegen von ihm ab." Die Autoren dieser Gutachten kamen mit den führenden Bolschewiki täglich im Exekutivkomitee zusammen und besaßen Nachrichten aus erster Hand.
    Doch herrscht auch kein Mangel an ähnlichen Zeugenaussagen aus bolschewistischen Reihen. "Als Lenins Thesen erschienen", erinnert sich später Zichon, wie die Mehrzahl der alten Bolschewiki, die über die Februarrevolution

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