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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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die Bolschewiki stets im Gegensatz zu den Menschewiki verkündet hatten. Lenin aber forderte, die proletarische Avantgarde solle sich von diesem Bündnis lostrennen. In Wirklichkeit blieb jede Partei sich treu. Die Menschewiki betrachteten, wie stets, ihre Mission in der Unterstützung der liberalen Bourgeoisie. Ihr Bündnis mit den Sozialrevolutionären war nur ein Mittel zur Verbreiterung und Festigung dieser Unterstützung. Dagegen bedeutete der Bruch der proletarischen Avantgarde mit dem kleinbürgerlichen Block die Vorbereitung des Bündnisses zwischen Arbeitern und Bauern unter Führung der bolschewistischen Partei, das heißt die Diktatur des Proletariats.
    Einwände anderer Art ergaben sich aus der Rückständigkeit Rußlands. Die Macht der Arbeiterklasse bedeute unabwendbar Übergang zum Sozialismus. Die Ökonomik und Kultur Rußlands sei dafür aber nicht reif. Wir müßten die demokratische Revolution zu Ende führen. Nur die sozialistische Revolution im Westen könne die Diktatur des Proletariats bei uns rechtfertigen. Das waren die Einwände Rykows auf der Aprilkonferenz. Daß die kulturökonomischen Bedingungen Rußlands an sich für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft ungenügend sind, war für Lenin das Abc. Doch die Gesellschaft ist durchaus nicht so rationell aufgebaut, daß die Fristen für die Diktatur des Proletariats gerade in dem Moment eintreten, wenn die ökonomischen und kulturellen Bedingungen für den Sozialismus gereift sind. Würde sich die Menschheit so planmäßig entwickeln, dann bestände keine Notwendigkeit für die Diktatur, wie für Revolutionen überhaupt. Es geht eben darum, daß die lebendige historische Gesellschaft durch und durch disharmonisch ist, und zwar um so mehr, je verspäteter ihre Entwicklung. Einen Ausdruck dieser Disharmonie bildet eben die Tatsache, daß in einem so rückständigen Lande wie Rußland die Bourgeoisie bereits vor dem vollen Siege des bürgerlichen Regimes gänzlich verfault ist und außer dem Proletariat niemand sie als Führer der Nation ersetzen kann. Rußlands ökonomische Rückständigkeit befreit die Arbeiterklasse nicht von der Pflicht, die ihr zukommende Aufgabe zu erfüllen, sie gestaltet nur diese Erfüllung äußerst schwierig. Rykow, der betont hatte, Sozialismus müsse aus Ländern mit entwickelterer Industrie kommen, erhielt von Lenin eine einfache, aber erschöpfende Antwort: "Es läßt sich nicht sagen, wer beginnen und wer beenden wird."
    Im Jahre 1921, als die Partei, von bürokratischer Verknöcherung noch weit entfernt, mit der gleichen Freimütigkeit ihre Vergangenheit beurteilte, wie sie ihre Zukunft vorbereitet hatte, beschäftigte sich einer der älteren Bolschewiki, Olmin-ski, der an der Parteipresse auf allen Etappen ihrer Entwicklung leitenden Anteil genommen hatte, mit der Frage, wie die Tatsache zu erklären sei, daß die Partei im Moment der Februarrevolution auf den opportunistischen Weg geraten war. Und was ihr dann so schnell ermöglichte, auf die Oktoberbahn abzubiegen. Die Quelle der Märzirrungen sieht der genannte Autor ganz richtig in der Tatsache, daß die Partei den Kurs auf demokratische Diktatur "zu lange gehalten hat". ""Die bevorstehende Revolution kann nur eine bürgerliche Revolution sein" ... Das war", sagt Olminski, "für jedes
    Parteimitglied ein obligatorisches Urteil, die offizielle Meinung der Partei, ihre ständige und unveränderliche Losung bis zur Februarrevolution 1917 und sogar einige Zeit danach." Zur Illustration könnte Olminski darauf verweisen, daß die Prawda noch vor Stalin und Kamenjew, das heißt unter der "linken" Redaktion, einschließlich Olminskis, am 7. März wie selbstverständlich geschrieben hat: "Gewiß handelt es sich bei uns noch nicht um den Sturz der Herrschaft des Kapitals, sondern um den Sturz der Herrschaft des Absolutismus und Feudalismus" ... Durch die zu kurze Visierung des Ziels geriet die Partei in die Märzgefangenschaft der bürgerlichen Demokratie. "Wie ist es dann zur Oktoberrevolution gekommen", fragt der Autor weiter, "wie konnte es geschehen, daß die Partei, von den Führern bis zum letzten Mitglied, so "plötzlich" sich von dem lossagte, was sie fast zwei Jahrzehnte hindurch als unumstößliche Wahrheit betrachtet hatte?"
    Suchanow stellt als Gegner die gleiche Frage auf andere Weise: "Wie und wodurch hatte es Lenin verstanden, seine Bolschewiki zu besiegen?" In der Tat, Lenins Sieg innerhalb der Partei war nicht nur voll, sondern auch in sehr

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