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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Beteiligung von Arbeitervertretern an der revolutionären Regierung voraus. Doch wurde diese Beteiligung im voraus eingeschränkt durch die Rolle des Proletariats als linken Verbündeten bei der Lösung der Aufgaben der Bauernrevolution. Die populäre und sogar offiziell anerkannte Idee der Hegemonie des Proletariats in der demokratischen Revolution konnte folglich nichts anderes bedeuten, als daß die Arbeiterpartei mit dem politischen Rüstzeug aus ihrem Arsenal den Bauern helfen, ihnen die besten Mittel und Methoden zur Liquidierung der Feudalgesellschaft eingeben und deren Anwendung in der Praxis zeigen würde. Jedenfalls bedeuteten die Reden von der führenden Rolle des Proletariats in der bürgerlichen Revolution niemals, daß das Proletariat den Bauernaufstand benutzen sollte, um, auf ihn gestützt, seine eigenen historischen Aufgaben, d.h. den direkten Übergang zur sozialistischen Gesellschaft auf die Tagesordnung zu stellen. Die Hegemonie des Proletariats in der demokratischen Revolution unterschied sich scharf von der Diktatur des Proletariats und wurde dieser auch polemisch entgegengehalten. Auf diese Ideen war die bolschewistische Partei seit dem Frühling 1905 ausgerichtet worden.
    Der tatsächliche Verlauf der Februarumwälzung hatte das gewohnte Schema des Bolschewismus übertreten. Allerdings war die Revolution durch das Bündnis der Arbeiter und Bauern vollzogen worden. Daß die Bauern hauptsächlich als Soldaten aufgetreten waren, änderte an der Sache nichts. Das Verhalten der bäuerlichen Armee des Zarismus wäre auch in dem Falle von entscheidender Bedeutung gewesen, wenn sich die Revolution in Friedenszeit entfaltet hätte. Um so natürlicher ist es, daß unter den Bedingungen des Krieges die Millionenarmee in der ersten Zeit die Bauernschaft gänzlich verdeckt hat. Nach dem Siege des Aufstandes erwiesen sich Arbeiter und Soldaten als Herren der Lage. Es sollte scheinen, daß man in diesem Sinne hätte sagen können, die demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern sei hergestellt. In Wirklichkeit aber hatte die Februarumwälzung zu einer bürgerlichen Regierung geführt, wobei die Macht der besitzenden Klassen durch die nicht zur Vollendung geführte Macht der Arbeiter- und Soldatensowjets eingeschränkt war. Alle Karten waren vermengt. An Stelle der revolutionären Diktatur, das heißt der konzentriertesten Macht, entstand ein wackliges Regime der Doppelherrschaft, wo die kümmerliche Energie der regierenden Kreise fruchtlos zur Überwindung der inneren Reibungen unfruchtbar verausgabt wurde. Dieses Regime hatte niemand vorausgesehen. Man kann auch von einer Prognose nicht verlangen, daß sie nicht nur die grundlegenden Tendenzen, sondern auch deren episodische Verquickungen aufzeige. "Wer hat jemals wirklich eine große Revolution vollbringen und im voraus wissen können, wie sie zu Ende zu führen?" fragte später Lenin. "Woher könnte man solches Wissen nehmen? Es ist nicht aus Büchern zu schöpfen. Solche Bücher gibt es nicht. Nur aus der Erfahrung der Massen konnte unser Entschluß geboren werden."
    Doch das menschliche Denken ist konservativ, und das Denken der Revolutionäre ist es mitunter besonders. Die bolschewistischen Kader in Rußland fuhren fort, an dem alten Schema festzuhalten, und sahen in der Februarrevolution, obwohl in ihr klar zwei nicht zu vereinbarende Regime enthalten waren, nur die erste Etappe der bürgerlichen Revolution. Ende März schickte Rykow aus Sibirien im Namen der Sozialdemokraten an die Prawda ein Begrüßungstelegramm anläßlich des Sieges der "nationalen Revolution", deren Aufgabe "die Eroberung der politischen Freiheit" sei. Sämtliche führenden Bolschewiki, ohne Ausnahme - wir kennen keine einzige - glaubten, die demokratische Diktatur stünde noch bevor. Nachdem die Provisorische Regierung "sich erschöpft haben wird", würde die demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern erstehen, als Vorstufe des bürgerlich-parlamentarischen Regimes. Das war eine völlig falsche Perspektive. Das aus der Februarumwälzung hervorgegangene Regime leitete die demokratische Diktatur nicht nur nicht ein, sondern war der lebendige und erschöpfende Beweis dafür, daß sie überhaupt nicht möglich ist. Daß die Versöhnlerdemokratie nicht zufällig, nicht durch Kerenskis Leichtsinn oder Tschcheidses Beschränktheit, die Macht an die Liberalen ausgeliefert hatte, bewies sie dadurch, daß sie während acht weiterer Monate aus allen Kräften für die Erhaltung der

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