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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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gestolpert sind, die Farben stark mildernd, "machten sich in unserer Partei gewisse Schwankungen fühlbar, viele Genossen wiesen daraufhin, Lenin habe eine syndikalistische Abweichung, er sei Rußland entfremdet, berechne den gegebenen Moment nicht usw." Ein angesehener bolschewistischer Parteiarbeiter in der Provinz, Lebedew, schreibt: "Nach Lenins Ankunft in Rußland wurde seine Agitation, die anfangs auch uns Bolschewiken nicht ganz verständlich war, utopisch schien und mit seiner langen Trennung vom russischen Leben erklärt wurde - von uns allmählich erfaßt und ging uns, wie man zu sagen pflegt, in Fleisch und Blut über." Saleschski, ein Mitglied des Petrograder Komitees und Organisator des Empfanges, äußert sich offener: "Die Thesen Lenins machten den Eindruck einer platzenden Bombe." Saleschski bestätigt durchaus die vollkommene Isoliertheit Lenins nach dem so heißen und eindrucksvollen Empfang. "An jenem Tage [dem 4. April] fand Genosse Lenin sogar in unseren Reihen keine offenen Anhänger."
    Noch wichtiger sind jedoch die Angaben der Prawda. Am 8. April, vier Tage nach Bekanntgabe der Thesen, als man sich bereits auseinanderzusetzen und zu verständigen vermochte, schrieb die Redaktion der Prawda: "Was das allgemeine Schema des Genossen Lenin betrifft, so erscheint es uns unannehmbar, insofern es von der Einschätzung der bürgerlich-demokratischen Revolution als einer abgeschlossenen ausgeht und mit der sofortigen Umwandlung dieser Revolution in eine sozialistische Revolution rechnet." Das Zentralorgan der Partei erklärte auf diese Weise vor dem Angesicht der Arbeiterklasse und deren Feinden offen das Auseinandergehen mit dem allgemein anerkannten Führer der Partei in der Kernfrage der Revolution, auf die die bolschewistischen Kader sich während einer langen Reihe von Jahren vorbereitet hatten. Dies allein genügt, um die ganze Tiefe der Aprilkrise der Partei richtig einzuschätzen, die aus dem Zusammenstoß zweier unversöhnlicher Linien erwachsen war. Ohne Überwindung dieser Krise konnte die Revolution nicht weiterschreiten.
    Fußnote von Trotzki
    1. In der großen Kollektivarbeit unter der Redaktion Prof. Pokrowskis Abrisse zur Geschichte der Oktoberrevolution (Bd.II, Moskau 1927) ist der April-"Verwirrung" die apologetische Arbeit eines gewissen Bajewski gewidmet, die man nach ihrem ungenierten Umspringen mit Tatsachen und dokumenten zynisch nennen müßte, wenn es nicht so kindlich unbeholfen wäre.

Kapitel 16: Die Umbewaffnung der Partei
    Womit ist nun Lenins außerordentliche Isoliertheit Anfang April zu erklären? Wie konnte eine solche Lage überhaupt entstehen? Und wie wurde die Umbewaffnung der Kader des Bolschewismus erreicht?
    Seit 1905 führt die bolschewistische Partei den Kampf gegen das Selbstherrschertum unter der Losung: "Demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft." Die Losung wie ihre theoretische Begründung gingen von Lenin aus. Im Gegensatz zu den Menschewiki, deren Theoretiker Plechanow einen unversöhnlichen Kampf führte gegen den "irrigen Gedanken von der Möglichkeit, die bürgerliche Revolution ohne Bürgertum zu vollbringen", meinte Lenin, die russische Bourgeoisie sei bereits unfähig, ihre eigene Revolution zu leiten. Die demokratische Revolution gegen Monarchie und Gutsbesitzer zu Ende führen, könnten nur Proletariat und Bauernschaft in engem Bündnis. Der Sieg dieses Bündnisses würde, nach Lenin, die demokratische Diktatur herbeiführen, die sich keinesfalls mit der Diktatur des Proletariats identifizieren ließe, vielmehr ihr entgegengesetzt sein würde, denn die Aufgabe sei nicht Errichtung der sozialistischen Gesellschaft, auch nicht Schaffung von Übergangsformen zu dieser, sondern nur unerbittliche Säuberung der Augiasställe des Mittelalters. Das Ziel des revolutionären Kampfes war durch drei Kampfparolen genau festgelegt -demokratische Republik, Konfiskation des gutsherrlichen Bodens, Achtstundentag -, die in der Volkssprache die drei Walfische des Bolschewismus hießen, nach der Analogie zu jenen Walfischen, auf denen, nach einer alten Volkssage, die Welt ruht.
    Die Frage der Durchführbarkeit der demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft wurde gelöst im Zusammenhang mit der Befähigung der Bauernschaft, ihre eigene Revolution zu vollbringen, das heißt, eine neue Macht aufzustellen, fähig, Monarchie und Adelsgrundbesitz zu liquidieren. Allerdings setzte die Parole der demokratischen Diktatur auch die

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