Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
bolschewistischen Partei war vollkommen unvermeidlich. Lenins Ankunft hat den Prozeß nur beschleunigt. Sein persönlicher Einfluß hat die Krise verkürzt. Kann man aber mit Bestimmtheit sagen, die Partei würde auch ohne ihn ihren Weg gefunden haben? Dies zu behaupten, könnten wir uns keinesfalls entschließen. Der Faktor Zeit entscheidet hier, und hinterher läßt sich schwer auf die Uhr der Geschichte blicken. Dialektischer Materialismus hat jedenfalls nichts mit Fatalismus gemein. Die Krise, die die opportunistische Leitung unvermeidlich hervorrufen mußte, würde ohne Lenin einen besonders scharfen und langwierigen Charakter angenommen haben. Die Bedingungen des Krieges und der Revolution ließen aber der Partei für die Erfüllung ihrer Mission keine langen Fristen. Es ist deshalb ganz und gar nicht ausgeschlossen, daß die desorientierte und zerrissene Partei die revolutionäre Situation auf viele Jahre hinaus verpassen konnte. Die Rolle der Persönlichkeit tritt hier vor uns wahrhaft gigantischem Maßstabe auf. Nur muß man diese richtig begreifen und die Persönlichkeit als ein Glied der historischen Kette betrachten.
    Lenins "plötzliche" Ankunft aus dem Auslande nach langer Abwesenheit, der wilde Lärm der Presse um seinen Namen, der Zusammenstoß Lenins mit allen Führern der eigenen Partei und sein schneller Sieg über sie - kurz die äußere Hülle der Ereignisse hat in diesem Falle stark zur mechanischen Gegenüberstellung von Person, Held, Genie, objektiven Verhältnissen, Masse, Partei beigetragen. In Wirklichkeit ist eine solche Gegenüberstellung völlig einseitig. Lenin war kein zufälliges Element der historischen Entwicklung, sondern Produkt der gesamten vergangenen russischen Geschichte. Er war tief in ihr verwurzelt. Gemeinsam mit den fortgeschrittenen Arbeitern hatte er während des vorangegangenen Vierteljahrhunderts ihren ganzen Kampf mitgemacht. "Zufall" war nicht sein Eingreifen in die Ereignisse, sondern eher jener Strohhalm, mit dem Lloyd George ihm den Weg zu sperren versucht hatte. Lenin stand der Partei nicht von außen gegenüber sondern er war ihr vollendetster Ausdruck. Indem er sie erzog, erzog er sich an ihr. Sein Auseinandergehen mit der Führerschicht der Bolschewiki bedeutete den Kampf des morgigen Tages der Partei mit ihrem gestrigen Tage. Wäre Lenin nicht künstlich durch Emigration und Krieg von der Partei getrennt gewesen, so wäre die äußere Mechanik der Krise nicht so dramatisch und die innere Kontinuität der Parteientwicklung nicht so verhüllt. Aus jener besonderen Bedeutung, die Lenins Ankunft erhalten hat, ergibt sich nur, daß Führer nicht zufällig erstehen, daß ihre Auslese und Erziehung Jahrzehnte erfordern, daß sie nicht willkürlich zu ersetzen sind, daß ihre mechanische Ausschaltung aus dem Kampfe der Partei eine offene Wunde zufügen und unter Umständen die Partei für lange Zeit paralysieren kann.
    Fußnote von Trotzki
    1. Am gleichen Tag, als Lenin in Petrograd ankam, holte jenseits des Atlantischen Ozeans, bei Halifax, die britische Seepolizei fünf Emigranten von dem norwegischen dampfer Christianiafjord berunter, die auf der Rückkehr aus New York nach Rußland waren: Trotzki, Tschudnowski, Melnitschanski, Muschin, Fischelew, und Romantschenko. diese Personen erhielten erst am 4. Mai die Möglichkeit, nach petrograd zu kommen, als die poloitische Umbewaffnung der bolschewistischen partei mindestens im gröbsten beendet war. Wir erachten es deshalb für nicht angebracht, in den Text unseres Berichtes die Darstellung jener Absichten über die Revolution einzufügen, die Trotzki in der damals in New York erschienenen russischen Tageszeitung entwickelte. Da andererseits die Kenntnis dieser Ansicht dem Leser für dioe weiteren Parteigruppierungen und insbesondere für den Ideenkampf am Vorabend des Oktobers erleichtern dürfte, so halten wir es für zweckmäßif, die darauf bezügliche Auskunft auszusondern und sie am ende des Buches als Anhang beizugeben. Der Leser, der sich an einem detaillierten Studium der theoretischen Vorbereitung der Oktoberrevolution desinteressiert glaubt, mag ruhig an diesem Anhang vorübergehen. (Anhang Nr.2)

Kapitel 17: ”Apriltage”
    Am 23. März traten die Vereinigten Staaten in den Krieg ein. Am gleichen Tage fand in Petrograd die Beisetzung der Opfer der Februarrevolution statt. Die traurige, doch ihrer Stimmung nach festlich-lebensfreudige Kundgebung war ein mächtiger Schlußakkord der Symphonie der fünf

Weitere Kostenlose Bücher