Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Tage. Zur Beisetzung kamen alle: sowohl jene, die Seite an Seite mit den Gemordeten gekämpft, wie jene, die vom Kampfe zurückgehalten, und wahrscheinlich auch jene, die sie gemordet hatten, am zahlreichsten aber die, die beim Kampfe abseits geblieben waren. Neben Arbeitern, Soldaten und städtischem Kleinvolk waren hier Studenten, Minister, Gesandte, solide Bürger, Journalisten, Redner, Häupter aller Parteien. Rote Särge schwebten auf den Händen der Arbeiter und Soldaten aus den Stadtbezirken dem Marsfelde zu. Als man die Särge in die Gruft senkte, ertönte von der Peter-Paul-Festung her, die gewaltigen Volksmassen erschütternd, der erste Trauersalut. Die Kanonen donnerten auf neue Art: Unsere Kanonen, unser Salut. Der Wyborger Bezirk trug 51 rote Särge. Das war nur ein Teil der Opfer, auf die er stolz war. Im Zuge der Wyborger, dem dichtesten von allen, ragten zahlreiche bolschewistische Fahnen hervor. Doch wehten sie friedlich neben den anderen. Auf dem Marsfeld selbst blieben nur die Mitglieder der Regierung des Sowjets und der bereits verblichenen, aber ihrer eigenen Beisetzung hartnäckig widerstrebenden Reichsduma. An den Gräbern defilierten mit Bannern und Musikorchestern im Laufe des Tages wenigstens achthunderttausend Mann vorbei. Und obwohl nach Ansicht der höchsten militärischen Autoritäten in der vorgesehenen Zeit eine solche Menschenmasse nicht ohne größtes Chaos und katastrophale Wirbel hätte vorbeigehen können, verlief die Manifestation dennoch in vollster Ordnung, wie sie für solche revolutionäre Umzüge charakteristisch ist, bei denen das befriedigende Bewußtsein zum erstenmal vollbrachter großer Taten herrscht, verbunden mit der Hoffnung, nun werde alles besser sein. Nur diese Stimmung hielt die Ordnung aufrecht, denn die Organisation war noch schwach, unerfahren und ihrer selbst nicht sicher.
Die Tatsache der Beerdigung war, sollte man meinen, eine genügende Widerlegung der Legende von der unblutigen Revolution. Und doch gab die bei der Beerdigung herrschende Stimmung teilweise jene Atmosphäre der ersten Tage wieder, aus der diese Legende entstanden war.
Nach 25 Tagen - in dieser Zeit hatten die Sowjets viel an Erfahrung und Sicherheit gewonnen - fand die Feier des 1. Mai nach europäischer Zeitrechnung (am 18. April nach dem alten Stil) statt. Alle Städte im Lande waren von Versammlungen und Demonstrationen überschwemmt. Nicht nur die Industriebetriebe, sondern auch die Staats-, Stadt-, und die Semstwo-Institutionen feierten. In Mohilew, wo sich das Hauptquartier befand, schritten die Ritter des Georgskreuzes an der Spitze der Demonstration. Die Kolonne des Stabes mit den nicht abgesetzten Zarengeneralen trug ihre Maiplakate. Das Fest des proletarischen Antimilitarismus verschmolz mit der revolutionär gefärbten Manifestation des Patriotismus. Die verschiedenen Schichten der Bevölkerung brachten in das Fest ihre Note, doch alles zusammen vereinigte sich noch zu einem zwar äußerst verschwommenen, teils unwahren, aber im allgemeinen großartigen Ganzen.
In den beiden Hauptstädten und den Industriezentren waren bei dem Fest die Arbeiter vorherrschend, und in ihrer Masse hoben sich schon deutlich - durch Banner, Plakate, Reden und Zwischenrufe - die festen Kerne des Bolschewismus ab. Über die riesige Fassade des Mariinski-Palais, der Unterkunft der Provisorischen Regierung, spannte sich ein herausfordernder roter Streifen mit der Aufschrift: "Es lebe die Dritte Internationale!" Die Behörden, die ihre administrative Schüchternheit noch nicht abgeworfen hatten, konnten sich nicht entschließen, dieses unangenehme und besorgniserregende Plakat zu entfernen. Es schien, als feierten alle. Soweit sie konnte, feierte auch die aktive Armee. Berichte trafen ein über Versammlungen, Reden, Fahnen und revolutionäre Lieder in den Schützengräben. Es gab auch Widerhall von deutscher Seite.
Der Krieg ging noch nicht dem Ende zu, im Gegenteil, er erweiterte seine Kreise. War doch vor kurzem, gerade am Tage der Beisetzung der Revolutionsopfer, ein ganzer Kontinent dem Kriege beigetreten, um ihm einen neuen Schwung zu verleihen. Zur gleichen Zeit nahmen in allen Gegenden Rußlands mit den Soldaten auch Kriegsgefangene an den Kundgebungen teil, unter gemeinsamem Banner, manchmal auch mit gemeinsamer Hymne in verschiedenen Sprachen. In diesem unübersehbaren Fest, einem Hochwasser ähnlich, das Klassen-, Partei- und Ideenumrisse überschwemmte, war die gemeinsame Demonstration der
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