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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Opposition erlosch merklich. In den strittigen Fragen brachte sie nicht mehr als sieben Stimmen zusammen. Es gab jedoch eine bemerkenswerte und krasse Ausnahme, die die internationalen Verbindungen der Partei betraf. Knapp vor Schluß der Arbeiten, in der Abendsitzung des 29. April, brachte Sinowjew im Namen einer Kommission folgenden Resolutionsentwurf ein: "An der auf den 18. Mai anberaumten internationalen Konferenz der Zimmerwalder teilzunehmen" (in Stockholm). Das Protokoll lautet: "Angenommen mit allen Stimmen gegen eine." Diese eine Stimme war Lenin. Er verlangte den Bruch mit Zimmerwald, wo die Mehrheit endgültig bei den deutschen Unabhängigen und den neutralen Pazifisten vom Schlag des Schweizers Grimm angelangt war. Für die russischen Parteikader jedoch war Zimmerwald während des Krieges fast identisch mit dem Bolschewismus geworden. Die Delegierten weigerten sich, sowohl auf den Namen Sozialdemokratie zu verzichten, wie mit Zimmerwald zu brechen, das ihnen immer noch als eine Verbindung mit den Massen der Zweiten Internationale erschien. Lenin versuchte, die Beteiligung an der bevorstehenden Konferenz wenigstens auf rein informatorische Zwecke zu begrenzen. Sinowjew trat dagegen auf. Der Antrag Lenins ging nicht durch. Darauf stimmte er gegen die ganze Resolution. Niemand unterstützte ihn. Das war letztes Aufflackern der "März"-Stimmungen, Festklammern an die gestrigen Positionen, Angst vor "Isolierung". Die Konferenz fand jedoch überhaupt nicht statt, und zwar infolge der gleichen inneren Krankheiten von Zimmerwald, die Lenin gerade bewogen hatten, mit ihm zu brechen. Die gegen eine Stimme abgelehnte Boykottpolitik wurde auf diese Weise doch verwirklicht.
    Der schroffe Charakter der Wendung, die in der Politik der Partei vorgenommen worden war, wurde für alle offenbar. Schmidt, Arbeiterbolschewik, später Volkskommissar für Arbeit, sagte auf der Aprilkonferenz: "Lenin hat dem Charakter der Parteitätigkeit eine neue Richtung gegeben." Nach dem, allerdings einige Jahre später geschriebenen Ausdruck Raskolnikows hat Lenin im April 1917 "die Oktoberrevolution im Bewußtsein der Parteileiter vollzogen ... Die Taktik unserer Partei bildet keine gerade Linie, nach der Ankunft Lenins machte sie eine schroffe Kurve nach links." Unmittelbarer und gleichzeitig präziser beurteilt die alte Bolschewistin Ludmilla Stahl die Änderung: "Alle Genossen haben bis zur Ankunft Lenins im Dunkeln getappt", sagte sie am 14. April auf der Stadtkonferenz. "Es gab nur die Formeln von 1905. Angesichts seiner selbständigen Schöpfung vermochten wir nicht das Volk zu lehren ... Unsere Genossen konnten sich nur auf die Vorbereitung zur Konstituierenden Versammlung mit parlamentarischen Mitteln beschränken und nicht die Möglichkeit berechnen, weiter zu schreiten. Wenn wir die Parolen Lenins akzeptieren, tun wir nur, was uns das Leben selbst eingibt. Man darf sich vor der Kommune, weil das ja schon eine Arbeiterregierung ist, nicht fürchten. Die Pariser Kommune war nicht ausschließlich eine Arbeiterkommune, sondern auch kleinbürgerlich." Man kann Suchanow zustimmen, daß die Umbewaffnung der Partei "der wichtigste und grundlegende Sieg Lenins, abgeschlossen Anfang Mai, gewesen ist." Allerdings, Suchanow meinte, Lenin habe bei dieser Operation die marxistischen Waffen mit den anarchistischen vertauscht.
    Es bleibt zu fragen, und es ist keine unwichtige Frage, obwohl sie leichter zu stellen als zu beantworten ist: welche Entwicklung würde die Revolution genommen haben, wenn Lenin im April 1917 Rußland nicht erreicht hätte? Wenn unsere Darstellung überhaupt etwas beweist und nachweist, so ist es, hoffen wir, dies, daß Lenin nicht Schöpfer des revolutionären Prozesses war, sondern sich nur in die Kette der objektiven historischen Kräfte eingegliedert hat. Doch war er in dieser Kette ein großes Glied. Die Diktatur des Proletariats ergab sich aus der ganzen Situation. Aber man mußte sie erst errichten. Sie war ohne die Partei nicht zu errichten. Die Partei jedoch konnte ihre Mission nur erfüllen, nachdem sie sie erkannt hatte. Dazu war eben Lenin notwendig. Bis zu seiner Ankunft war nicht einer der bolschewistischen Führer imstande gewesen, die Diagnose der Revolution zu stellen. Die Führung Kamenjew-Stalin wurde durch den Lauf der Dinge nach rechts geschleudert, zu den Sozialpatrioten: zwischen Lenin und dem Menschewismus ließ die Revolution keinen Raum für Mittelpositionen. Der innere Kampf in der

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