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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Arbeiterdeputierten. Suchanow glaubt, daß Anfang Mai ein Drittel des Ffe-trograder Proletariats hinter den Bolschewiki stand. Keinesfalls weniger, und außerdem das aktivste Drittel. Die Formlosigkeit des März verschwand, die politischen Linien bekamen Umrisse, die "phantastischen" Thesen Lenins füllten sich in den Bezirken Petrograds mit Fleisch und Blut.
    Jeder Schritt der Revolution vorwärts wird hervorgerufen oder erzwungen durch direktes Eingreifen der Massen, das in den meisten Fällen für die Sowjetparteien ganz unerwartet erfolgt. Die Führer des Exekutivkomitees betrachteten die Rolle der Massen nach der Februarumwälzung, nachdem die Arbeiter und Soldaten die Monarchie gestürzt hatten, als erledigt. Doch war dies ein fataler Irrtum. Die Massen dachten nicht daran, von der Bühne zu verschwinden. Bereits Anfang März, während der Kampagne um den Achtstundentag, und trotzdem die Menschewiki und Sozialrevolutionäre sich an ihre Schultern hängten, war es den Arbeitern geglückt, den Kapitalisten eine Konzession zu entreißen. Der Sowjet war gezwungen, den Sieg, der ohne ihn und gegen ihn errungen worden war, zu registrieren. Die Aprildemonstration war eine Korrektur ähnlicher Art. Jedes Auftreten der Massen ist, abgesehen von seinen unmittelbaren Zielen, eine Warnung an die Adresse der Sowjetleiter. Die Warnung trägt anfangs milden Charakter, doch wird sie immer energischer. Im Juli verwandelt sie sich in Drohung. Im Oktober kommt die Lösung.
    In allen kritischen Momenten greifen die Massen "elementar" ein, mit anderen Worten, ihren eigenen aus der politischen Erfahrung gewonnenen Erkenntnissen und ihren offiziell noch nicht anerkannten Führern folgend. Indem die Massen gewisse Elemente der Agitation in sich aufnehmen, übersetzen sie diese selbständig in die Sprache der Tat. Die Bolschewiki als Partei haben noch nicht die Kampagne für den Achtstundentag geleitet. Die Bolschewiki haben auch nicht im April die Massen zur Demonstration aufgerufen. Die Bolschewiki werden auch nicht im Juli die bewaffneten Massen auf die Straße führen. Erst im Oktober wird es der Partei gelingen, den Schritt auszugleichen, und sie wird dann an der Spitze der Massen schon nicht zur Demonstration, sondern zur Umwälzung marschieren.

Kapitel 18: Erste Koalition
    Entgegen allen offiziellen Theorien, Deklarationen und Aushängeschildern besaß die Provisorische Regierung die Macht nur auf dem Papier. Ungeachtet des Widerstandes der sogenannten Demokratie, schritt die Revolution vorwärts, hob neue Massen empor, stärkte die Sowjets, bewaffnete, wenn auch in beschränktem Maße, die Arbeiter. Die lokalen Regierungskommissare und die ihnen beigeordneten "öffentlichen Komitees", in denen in der Regel Vertreter der bürgerlichen Organisationen vorherrschten, wurden naturnotwendig und mühelos von den Sowjets verdrängt. In den Fällen, wo die Agenten der Zentralmacht Widerstand zu leisten versuchten, entbrannten heftige Konflikte. Die Kommissare beschuldigten die lokalen Sowjets der Mißachtung der Zentralmacht. Die bürgerliche Presse heulte auf: Kronstadt, Schlüsselburg und Zarizyn seien von Rußland abgefallen, hätten sich in selbständige Republiken verwandelt. Die lokalen Sowjets protestierten gegen solchen Unsinn. Die Minister gerieten in Erregung. Regierungssozialisten reisten in die Provinz, versuchten zu überreden, drohten, rechtfertigten sich vor der Bourgeoisie. Doch all das änderte das Kräfteverhältnis nicht. Die Unabwendbarkeit der Prozesse, die die Doppelherrschaft untergruben, kam schon darin zum Ausdruck, daß sie, wenn auch nicht überall im gleichen Tempo, im ganzen Lande vor sich gingen. Aus Kontrollorganen verwandelten sich die Sowjets in Verwaltungsorgane. Sie wollten von keiner Theorie der Machtteilung etwas, wissen und mischten sich in die Verwaltung der Armee ein, in Wirtschaftskonflikte, Ernährungs- und Transportfragen und sogar Gerichtsangelegenheiten. Unter dem Druck der Arbeiter dekretierten die Sowjets den Achtstundentag, setzten übereifrige reaktionäre Administratoren ab, entließen die unerträglichsten Kommissare der Provisorischen Regierung, nahmen Verhaftungen und Haussuchungen vor, untersagten das Erscheinen feindlicher Zeitungen. Unter dem Einfluß der ständig anwachsenden Ernährungsschwierigkeiten und des Warenhungers griffen die Provinzsowjets zu Preisregulierungen, Ausfuhrverboten für bestimmte Gouvernements und zur Requisition von Vorräten. Dabei standen überall an der

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