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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Spitze der Sowjets Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die mit Entrüstung die bolschewistische Parole "Alle Macht den Sowjets" ablehnten.
    Sehr lehrreich war in dieser Beziehung die Tätigkeit des Sowjets in Tiflis, dem Herzen der menschewistischen Gironde, die der Februarrevolution Führer wie Zeretelli und Tschcheidse gegeben und später, nachdem sie sich in Petrograd rettungslos verbraucht, ihnen Asyl gewährt hat. Der von Jordania, dem späteren Haupt des unabhängigen Georgiens geleitete Tifliser Sowjet, mußte auf Schritt und Tritt die Prinzipien der darin herrschenden Menschewiki verletzen und wie eine Regierungsmacht handeln. Der Sowjet konfiszierte für seine Bedürfnisse eine Privatdruckerei, nahm Verhaftungen vor, leitete Untersuchung und Gerichtsverfahren in politischen Prozessen, setzte die Brotration fest, bestimmte Preise für Nahrungsmittel und unentbehrliche Bedarfsartikel. Der Widerspruch, der sich von den ersten Tagen an zwischen offizieller Doktrin und Leben ergab, fand erst im Laufe des März und April eine Steigerung.
    In Petrograd wurde mindestens das Dekorum gewahrt, wenn auch, wie wir gesehen haben, nicht immer. Die Apriltage jedoch hatten zu eindeutig die Ohnmacht der Provisorischen Regierung entschleiert und gezeigt, daß sie auch in der Hauptstadt keine ernstliche Stütze besaß. Im letzten Drittel des April führte die Regierung nur noch ein qualvolles, im Erlöschen begriffenes Leben. "Mit Wehmut sprach Kerenski davon, daß es keine Regierung mehr gäbe, sie arbeite nicht, sondern bespräche nur noch ihre Lage" (Stankewitsch). Von dieser Regierung kann man im allgemeinen sagen, daß sie bis zu den Oktobertagen in schwierigen Momenten Krisen durchmachte und in den Pausen zwischen den Krisen ... existierte. Indem sie fortwährend "ihre Lage besprach", hatte sie ohnehin keine Zeit, sich der Arbeit zu widmen. Aus der Krise, die durch die Aprilprobe der kommenden Kämpfe entstanden war, waren theoretisch drei Auswege denkbar. Entweder mußte die Macht gänzlich an die Bourgeoisie übergehen: das war nicht anders als durch Bürgerkrieg zu verwirklichen; Miljukow hatte es versucht, war aber gescheitert. Oder die Macht mußte völlig an die Sowjets abgetreten werden: das war ohne jeden Bürgerkrieg zu erreichen, durch eine Handbewegung, es hieß nur wollen. Doch die Versöhnler wollten nicht wollen, während die Massen noch immer den Glauben an die Versöhnler bewahrten - wenn er auch bereits einen Riß hatte. Auf diese Weise waren die beiden Hauptauswege - sowohl auf der bürgerlichen wie auf der proletarischen Linie - versperrt. Es blieb die dritte Möglichkeit: der verworrene, geteilte, ängstliche Halbausweg des Kompromisses, sein Name - Koalition.
    Am Ausgang der Apriltage dachten die Sozialisten an eine Koalition nicht im entferntesten: diese Menschen vermochten überhaupt nie etwas vorauszusehen. Mit der Resolution vom 21. April verwandelte das Exekutivkomitee die Doppelherrschaft offiziell aus einer Tatsache in ein konstitutionelles Prinzip. Aber die Weisheitseule hatte auch diesmal ihren Flug zu spät unternommen: die juristische Weihe der Märzform der Doppelherrschaft - Zaren und Propheten -wurde in dem Augenblick vollzogen, als diese Form bereits durch das Auftreten der Massen gesprengt war. Die Sozialisten bemühten sich, vor dieser Tatsache die Augen zu schließen. Miljukow erzählt, daß Zeretelli, als seitens der Regierung die Frage der Koalition gestellt wurde, erklärt habe: "Welchen Nutzen habt ihr davon, wenn wir in eure Reihen eintreten? Wir würden ja ..., falls ihr euch unnachgiebig zeigen solltet, gezwungen sein, mit Lärm aus dem Ministerium auszutreten." Zeretelli versuchte, die Liberalen mit seinem künftigen "Lärm" zu schrecken. Zur Begründung ihrer Haltung appellierten die Menschewiki, wie stets, an die Interessen der Bourgeoisie. Doch das Wasser stieg an die Kehle.
    Kerenski schreckte das Exekutivkomitee: "Die Regierung befindet sich augenblicklich in einer unerträglich schwierigen Situation; die Demissionsgerüchte sind kein politisches Spiel." Gleichzeitig setzte ein Druck seitens der bürgerlichen Kreise ein. Die Moskauer Stadtduma erklärte sich in einer Resolution für die Koalition. Am 26. April, als der Boden genügend vorbereitet war, verkündete die Provisorische Regierung in einem besonderen Aufruf die Notwendigkeit, "jene aktiven schöpferischen Kräfte des Landes, die sich bisher nicht daran beteiligt hatten", zur Staatsarbeit heranzuziehen. Die

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