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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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der Tat empörend, daß Arbeiter und Soldaten die Versöhnler zur Übernahme der Macht zu verführen versucht, das heißt jene Herren ernstlich für fähig gehalten hatten, von der Macht revolutionären Gebrauch zu machen?
    Nein, die Sozialrevolutionäre und die Menschewiki wollten die Macht nicht. Die bolschewistische Resolution, die die Übertragung der Macht an die Sowjets verlangte, erhielt, wie wir gesehen haben, im Petrograder Sowjet eine verschwindende Stimmenzahl. In Moskau erhielt die von den Bolschewiki am 22. April eingebrachte Resolution, mit dem Mißtrauensvotum für die Provisorische Regierung, nur 74 von vielen hundert Stimmen. Allerdings hatte der Helsingforser Sowjet, obgleich dort Sozialrevolutionäre und Menschewiki in der Mehrheit waren, an diesem Tage eine für jene Zeit ausnahmsweise mutige Resolution angenommen, in der er dem Petrograder Sowjet zur Beseitigung der "imperialistischen Provisorischen Regierung" seine bewaffnete Hilfe anbot. Doch bildete diese unter dem direkten Druck der Matrosen angenommene Resolution eine Ausnahme. In ihrer überwiegenden Mehrheit verharrte die Sowjetvertretung der gestern noch einem Aufstand gegen die Provisorische Regierung so nahe gewesenen Massen durchaus auf dem Boden der Doppelherrschaft. Was bedeutete das?
    Der in die Augen springende Widerspruch zwischen der Entschlossenheit des Massenangriffs und der Halbheit seiner politischen Widerspiegelung ist nicht zufällig. In einer revolutionären Epoche werden die unterdrückten Massen leichter und schneller in eine direkte Aktion hineingezogen als geübt, durch eigene Vertretung ihren Wünschen und Forderungen geformten Ausdruck zu verleihen. Je abstrakter das System einer Vertretung ist, um so weiter bleibt es hinter dem Rhythmus der Ereignisse zurück, der die Handlungen der Massen bestimmt. Die Sowjetvertretung, von allen Vertretungsformen die am wenigsten abstrakte, bietet unter den Bedingungen der Revolution unermeßliche Vorzüge: es g3-nügt, daran zu erinnern, daß die demokratischen Dumas, gewählt auf Grund der Bestimmungen vom 17. April, durch nichts und durch keinen eingeschränkt, sich völlig unfähig zeigten, mit den Sowjets zu konkurrieren. Doch bei allen Vorzügen ihrer organischen Verbindung mit den Betrieben und den Regimentern, das heißt mit den handelnden Massen, bleiben die Sowjets immerhin eine, Vertretung und folglich von den Konventionen und Verfälschungen des Parlamentarismus nicht frei. Der Widerspruch jeder Vertretung, auch der des Sowjets, besteht darin, daß sie einerseits für die Massenaktionen notwendig ist, andererseits aber leicht zu einem konservativen Hindernis für die Aktion wird. Der praktische Ausweg aus dem Widerspruch besteht in der jeweiligen Erneuerung der Vertretung. Doch diese keinesfalls so einfache Operation ist, besonders in der Revolution, die Folge der aktiven Aktion und bleibt daher hinter ihr zurück. Jedenfalls saßen am nächsten Tag nach dem halben oder richtiger viertel Aufstand vom April - der halbe wird erst im Juli kommen - im Sowjet die gleichen Deputierten wie am Vorabend und, wieder in die gewohnte Umgebung geraten, stimmten für die Anträge der gewohnten Führer.
    Doch bedeutet das keinesfalls, daß der Aprilsturm an den Sowjets und am Februarsystem überhaupt, geschweige an den Massen selbst, spurlos vorübergegangen war. Das grandiose, wenn auch nicht zu Ende geführte Eingreifen der Arbeiter und Soldaten in die politischen Ereignisse verändert die politische Situation, gibt der Gesamtbewegung der Revolution einen Anstoß, beschleunigt die unvermeidlichen Umgruppierungen und zwingt die Stuben- und Hintertreppenpolitiker, ihre gestrigen Pläne zu vergessen und ihr Vorgehen der neuen Lage anzupassen.
    Nachdem die Versöhnler das Aufflackern des Bürgerkrieges liquidiert hatten, wobei sie sich einbildeten, alles kehre auf die alten Positionen zurück, begann erst in Wirklichkeit die Regierungskrise. Die Liberalen wollten nicht mehr ohne direkte Teilnahme der Sozialisten regieren. Durch die Logik der Doppelherrschaft gezwungen, dieser Bedingung entgegen zukommen, verlangten die Sozialisten ihrerseits die demonstrative Liquidierung des Dardanellenprogramms, was unabwendbar zur Liquidierung Miljukows führen mußte. Am 2. Mai war Miljukow gezwungen, die Reihen der Regierung zu verlassen. Die Losung der Demonstration vom 20. April wurde auf diese Weise mit einer Verspätung von 12 Tagen und gegen den Willen der Sowjetführer verwirklicht.
    Doch

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