Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
hatten die Verschleppungen und Verschiebungen die Ohnmacht der Regierenden nur noch krasser unterstrichen. Miljukow, der mit Hilfe seines Generals eine schroffe Wendung im Kräfteverhältnis herbeizuführen geplant hatte, sprang - wie ein Pfropfen - mit einem Knall aus der Regierung. Der Haudegengeneral war gezwungen, seine Demission zu nehmen. Die Minister waren gar nicht mehr Geburtstagskindern ähnlich. Die Regierung flehte den Sowjet um eine Koalition an. Und all das, weil die Massen auf das lange Ende des Hebels gedrückt hatten.
Doch bedeutet das nicht, daß die Versöhnlerparteien den Arbeitern und Soldaten nähergekommen waren. Im Gegenteil, die Aprilereignisse, die entlarvt hatten, welche Überraschungen die Massen in sich bargen, stießen die demokratischen Führer noch weiter nach rechts, in die Richtung einer engeren Anlehnung an die Bourgeoisie. Von nun an g3-winnt die patriotische Linie endgültig Oberhand. Die Mehrheit des Exekutivkomitees schließt sich enger zusammen. Formlose Radikale, wie Suchanow, Stecklow usw., die vor kurzem noch die Sowjetpolitik inspirierten und bestrebt waren, irgendwelche Traditionen des Sozialismus zu wahren, werden beiseite geschoben. Zeretelli steuert einen festen konservativen und patriotischen Kurs, der die Anpassung der Miljukowschen Politik an die Vertretung der werktätigen Massen bedeutet.
Die Haltung der bolschewistischen Partei in den Apriltagen war nicht einheitlich. Die Ereignisse kamen der Partei überraschend. Die innere Krise ging erst ihrem Abschluß entgegen, die Parteikonferenz wurde eifrig vorbereitet. Unter dem Eindruck der starken Erregung in den Bezirken sprachen sich einige Bolschewiki für den Sturz der Provisorischen Regierung aus. Das Petrograder Komitee, das noch am 5. März die Resolution des bedingten Vertrauens zur Provisorischen Regierung angenommen hatte, schwankte. Es wurde beschlossen, am 21. eine Demonstration zu veranstalten, deren Ziel jedoch nicht klar bestimmt war. Ein Teil des Petrograder Komitees führte die Arbeiter und Soldaten auf die Straße mit der allerdings nicht ausgesprochenen Absicht, nebenbei den Versuch zu machen, die Provisorische Regierung zu stürzen. In der gleichen Richtung wirkten einzelne linke Elemente außerhalb der Partei. Es mischten sich anscheinend auch die nicht zahlreichen aber betriebsamen Anarchisten ein. Einzelne Personen wandten sich an die Truppenteile mit Ersuchen um Panzerautos oder Verstärkung überhaupt, bald zum Zwecke der Verhaftung der Provisorischen Regierung, bald für Straßenkampf gegen den Feind im allgemeinen. Aber die mit den Bolschewiki sympathisierende Panzerdivision erklärte, sie würde ohne Befehl des Exekutivkomitees niemand Wagen zur Verfügung stellen.
Die Kadetten bemühten sich aus allen Kräften, die Schuld für die blutigen Zusammenstöße auf die Bolschewiki abzuwälzen. Doch wurde durch eine besondere Kommission des Sowjets unwiderlegbar festgestellt, daß die, Schießerei nicht von der Straße her, sondern aus Haustoren und Fenstern begonnen hatte. Die Zeitungen veröffentlichten einen Bericht des Staatsanwalts: "Die Schießerei ist von dem Auswurf der Gesellschaft inszeniert worden, um Unruhen und Verwirrung zu stiften, was den Rowdies stets zum Vorteil gereicht."
Die Feindseligkeit gegen die Bolschewiki seitens der regierenden Sowjetparteien hatte noch lange nicht jene Spannung erreicht, die zwei Monate später, im Juli, Vernunft und Gewissen restlos verdunkelte. Die Gerichtsbarkeit, wenngleich in alter Zusammensetzung, nahm sich vor dem Antlitz der Revolution zusammen und erlaubte sich im April noch nicht, gegen die extreme Linke Methoden der zaristischen Ochrana anzuwenden. Die Attacke Miljukows war auch auf dieser Linie mühelos zurückgeschlagen worden.
Das Zentralkomitee wies den linken Flügel der Bolschewiki zurecht und erklärte am 21. April, es erachte das vom Sowjet erlassene Verbot von Straßenkundgebungen für durchaus richtig, und es sei unbedingt zu befolgen. "Die Losung "Nieder mit der Provisorischen Regierung" ist momentan unrichtig", lautete die Resolution des Zentralkomitees, "weil eine solche Losung beim Fehlen einer festen [das heißt bewußten und organisierten] Mehrheit des Volkes seitens des revolutionären Proletariats entweder Phrase ist oder objektiv auf Unternehmen abenteuerlicher Art hinausläuft." Als Aufgaben des Augenblicks nennt die Resolution: Kritik, Propaganda und, als Voraussetzung der Machtergreifung, Eroberung der Mehrheit in
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