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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Frage war in aller Schärfe gestellt.
    Immerhin war die Stimmung gegen die Koalition noch recht stark. Gegen den Eintritt der Sozialisten in die Regierung äußerten sich Ende April die Sowjets von Moskau, Tiflis, Odessa, Jekaterinburg, Nishnij Nowgorod, Twer und anderen Orten. Ihre Beweggründe drückte ein menschewistischer Führer in Moskau kraß aus: wenn die Sozialisten in die Regierung eintreten, wird niemand vorhanden sein, die Massenbewegung "in bestimmte Fahrwasser" zu leiten. Aber es war schwer, diese Erwägung den Arbeitern und Soldaten zu suggerieren, gegen die sie gerichtet war. Soweit die Massen noch nicht mit den Bolschewiki gingen, waren sie durchweg für den Eintritt der Sozialisten in die Regierung. Wenn es gut ist, daß Kerenski Minister ist, dann sind sechs Kerenski noch besser. Die Massen wußten nicht, daß dies Koalition mit der Bourgeoisie hieß und daß die Bourgeoisie sich durch die Sozialisten gegen das Volk decken wollte. Von der Kaserne aus betrachtet, sah die Koalition anders aus als vom Mariinski-Palais. Die Massen wollten durch die Sozialisten die Bourgeoisie aus der Regierung verdrängen. So verquickten sich zwei in entgegengesetzte Richtungen gehende Druckwirkungen für einen kurzen Augenblick in eins.
    In Petrograd stimmte eine Reihe von Truppenteilen, darunter auch die den Bolschewiken freundliche Panzerdivision, für eine Koalitionsregierung. Desgleichen in überwiegender Mehrheit die Provinz. Bei den Sozialrevolutionären herrschte die Koalitionsstimmung vor, nur fürchteten sie sieh, ohne die Menschewiki in die Regierung zu gehen. Für die Koalition war schließlich auch die Armee. Später, auf dem Rätekongreß im Juni, hat ein Delegierter die Stellung der Front zur Frage der Macht recht gut wiedergegeben: "Wir glaubten, jener Seufzer, den die Armee ausstieß, als sie erfuhr, daß die Sozialisten nicht ins Ministerium wollten, zur Zusammenarbeit mit Menschen, denen sie nicht vertrauten, indes doch die gesamte Armee gezwungen war, weiter mit Menschen zu sterben, denen sie nicht traute - wir glaubten, jener Seufzer habe Petrograd erreicht."
    Von entscheidender Bedeutung war in dieser Frage, wie in allen anderen, der Krieg. Die Sozialisten hatten anfangs die Absicht, die Frage des Krieges wie die der Macht zu übergehen und zu warten. Doch der Krieg wartete nicht. Die Verbündeten warteten nicht. Und auch die Front wollte nicht länger warten. Gerade während der Regierungskrise kamen Frontdelegierte zum Exekutivkomitee und stellten den Führern die Frage: Führen wir Krieg oder nicht? Das hieß: übernehmt ihr die Verantwortung für den Krieg oder nicht? Nicht zu antworten war unmöglich. Die gleiche Frage stellte in der Sprache halber Drohungen die Entente.
    Die Apriloffensive an der westeuropäischen Front kam die Alliierten teuer zu stehen und brachte keine Resultate. Die französische Armee geriet unter dem Einfluß der Russischen Revolution und des Mißerfolges der Offensive, von der man so viel erhofft hatte, ins Schwanken. Die Armee "wand sich unter den Händen" - nach den Worten des Marschalls Pétain. Um diesen bedrohlichen Prozeß aufzuhalten, benötigte die französische Regierung unbedingt eine russische Offensive, und bis dahin - mindestens das feste Versprechen der Offensive. Außer der materiellen Erleichterung, die auf diese Weise geschaffen werden sollte, mußte man so schnell wie möglich von der russischen Revolution die Friedensaureole herunterreißen, die Hoffnung aus den Herzen der französischen Soldaten tilgen, die Revolution durch Beteiligung an den Ententeverbrechen kompromittieren, das Banner des Aufstandes der russischen Arbeiter und Soldaten durch Blut und Schmutz der imperialistischen Schlächterei zerren.
    Um dieses hehre Ziel zu erreichen, wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Nicht an letzter Stelle wirkten dabei die patriotischen Ententesozialisten mit. Die erprobtesten von ihnen kommandierte man in das revolutionäre Rußland ab. Sie trafen in der vollen Rüstung eines stabilen Gewissens und loser Zunge ein. "Die ausländischen Sozialpatrioten empfing man im Mariinski-Palais mit offenen Armen ...", schreibt Suchanow. "Branting, Cachin, O'Grady, de Brouckere und andere mehr fühlten sich dort in heimischer Atmosphäre und bildeten mit unseren Ministern eine Einheitsfront gegen den Sowjet." Man muß gestehen, daß sogar dem Versöhnlersowjet mit diesen Herren nicht immer wohl zumute war.
    Die alliierten Sozialisten bereisten die Fronten. "General

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