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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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nicht eilig, in der späteren Konstituierenden Versammlung, wie jetzt in den neuen Dumas, den ohnmächtigen rechten Flügel zu bilden. Die "Sonderberatung über die Einberufung der Konstituierenden Versammlung" begann erst Ende Mai, drei Monate nach der Umwälzung, ihre Tätigkeit. Die liberalen Juristen spalteten jedes Haar in sechzehn Teile, rührten und schüttelten in Kolben den ganzen demokratischen Bodensatz, stritten endlos über das Wahlrecht der Armee, und darüber, ob Deserteure, die nach Millionen zählten und Mitglieder der früheren Zarenfamilie, die einige Dutzend ausmachten, Stimmrecht zu bekommen hätten oder nicht. Über den Termin der Einberufung wurde nach Möglichkeit geschwiegen. Diese Frage in der Beratungskommission aufzuwerfen, galt überhaupt als Taktlosigkeit, deren nur die Bolschewiki fähig waren.
    Wochen vergingen, aber entgegen den Hoffnungen und Voraussagen der Versöhnler starben die Sowjets nicht ab. Durch ihre Führer eingeschläfert und verwirrt, verfielen allerdings auch sie zeitweilig hochgradiger Erschöpfung, doch das erste Gefahrensignal stellte sie wieder auf die Beine und erwies damit für alle unbestreitbar die Sowjets als die Herren der Lage. Obgleich sie dauernd versuchten, die Sowjets zu sabotieren, waren die Sozialrevolutionäre und Menschewiki in allen wichtigen Fällen doch gezwungen, deren Priorität anzuerkennen. Das fand seinen Ausdruck unter anderem darin, daß die besten Kräfte beider Parteien in den Sowjets konzentriert waren. Die Munizipalitäten und Semstwos überließen sie zweitrangigen Männern, Technikern, Administratoren. Das gleiche konnte man auch bei den Bolschewiki beobachten. Nur die Kadetten, die zu den Sowjets keinen Zutritt hatten, konzentrierten ihre besten Kräfte in den Organen der Selbstverwaltung. Aber die hoffnungslose bürgerliche Minderheit vermochte nicht, sie zu ihrem Stützpunkt zu machen.
    Die Munizipalitäten betrachtete somit niemand als sein Organ. Über den wachsenden Antagonismus zwischen Arbeitern und Fabrikanten, Soldaten und Offizieren, Bauern und Gutsbesitzern konnte in den Munizipalitäten und Semstwos nicht so offen diskutiert werden wie im eigenen Kreise, im Sowjet einerseits und in den Privatsitzungen der Reichsduma und sonstigen Beratungen der bürgerlichen Politiker andererseits. Man kann sich mit dem Gegner wohl über Kleinigkeiten, nicht aber über Leben und Tod verständigen.
    Nimmt man die Marx'sche Formel, daß die Regierung das Komitee der herrschenden Klasse ist, so muß man sagen, die wahren "Komitees" der um die Macht ringenden Klassen befanden sich außerhalb der Koalitionsregierung. In bezug auf den Sowjet, der in der Regierung als Minderheit vertreten war, wurde das besonders offensichtlich. Doch traf das nicht weniger auf die bürgerliche Mehrheit zu. Die Liberalen hatten keine Möglichkeit, in Gegenwart der Sozialisten ernst und sachlich jene Fragen zu besprechen, die die Bourgeoisie am meisten berührten. Die Verdrängung Miljukows, des anerkannten und unbestrittenen Führers der Bourgeoisie, um den sich der Stab der Besitzenden scharte, hatte symbolischen Charakter, indem sie vollends offenbarte, daß die Regierung exzentrisch in jedem Sinne dieses Wortes war. Das Leben drehte sich um zwei Brennpunkte, von denen der eine rechts, der andere links vom Mariinski-Palais lag. Ohne zu wagen, innerhalb der Regierung auszusprechen, was sie dachten, lebten die Minister in einer Atmosphäre selbstgeschaffener Konventionen. Die durch die Koalition verhüllte Doppelherrschaft wurde zur Schule für Doppelsinn, Doppelmoral und jegliche Zweideutigkeit überhaupt. Die Koalitionsregierung machte in den nächsten sechs Monaten eine Reihe von Krisen, Umgestaltungen und Umschichtungen durch, doch ihre Wesenszüge der Ohnmacht und Falschheit bewahrte sie bis zu ihrem Todestage.

Kapitel 19: Die Offensive
    In der Armee wie im Lande vollzog sich eine ununterbrochene Umgruppierung der Kräfte: die unteren Schichten verschoben sich nach links, die oberen nach rechts. In dem Maße, wie das Exekutivkomitee ein Werkzeug der Entente zur Zähmung der Revolution wurde, verwandelten sich die Armeekomitees, geschaffen als Vertretung der Soldaten gegen den Kommandobestand, in Helfershelfer des Kommandobestandes gegen die Soldaten.
    Die Zusammensetzung der Komitees war sehr bunt. Es gab da nicht wenig patriotische Elemente, die aufrichtig den Krieg mit der Revolution identifizierten, mutig in die ihnen von oben aufgedrängte Offensive

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