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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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an Kerenski "Bei der 12. Division sind das 48. Regiment in ganzer, das 45. und 46. Regiment in halber Frontstärke ausgerückt, das 47. Regiment weigert sich, auszurücken. Von den Regimentern der 13. Division ist das 50. Regiment annähernd in voller Stärke ausgerückt. Das 51. Regiment verspricht, morgen auszurücken, das 49. ist nicht vorschriftsmäßig ausgerückt, das 52. weigert sich, auszurücken und hat alle seine Offiziere verhaftet." Ein solches Bild war fast überall zu beobachten. Auf die Meldung des Kommissars hin erfolgte die Antwort der Regierung: "Das 45., 46., 47. und 52. Rs-giment auflösen. Offiziere und Soldaten, die zum Ungehorsam aufreizten, vor Gericht stellen." Das klang bedrohlich, schreckte aber nicht. Die Soldaten, die nicht mehr Krieg führen wollten, hatten weder vor der Auflösung noch vor dem Gericht Furcht. Bei der Aufstellung der Truppen war man nicht selten gezwungen, einen Truppenteil gegen den anderen zu verwenden. Als Werkzeug der Repression dienten am häufigsten, wie unter dem Zaren, die Kosaken, jetzt aber wurden sie von Sozialisten geleitet: ging es doch um die Verteidigung der Revolution.
    Am 4. Juni, weniger als vierzehn Tage vor Beginn der Offensive, meldete der Stabschef des Hauptquartiers: "Die Nordfront befindet sich noch immer im Zustand der Gärung, die Verbrüderung geht weiter, das Verhalten der Infanterie zur Offensive ist ablehnend ... An der Westfront ist die Lage ungewiß. An der Südwestfront ist eine gewisse Besserung der Stimmung zu verzeichnen ... Von der rumänischen Front ist keine besondere Besserung zu melden, die Infanterie will nicht angreifen ... "
    Am 11. Juni 1917 schreibt der Kommandeur des 61. Regiments: "Mir und den Offizieren bleibt nur noch übrig, uns zu retten, da aus Petrograd ein Soldat der 5. Kompanie angekommen ist, ein Leninist ... Viele der besten Soldaten und Offiziere sind bereits davongelaufen." Das Erscheinen eines einzigen Leninisten im Regiment genügte, die Offiziere zum Davonlaufen zu bringen. Es ist klar, daß der betreffende Soldat die Rolle des ersten Kristalls in gesättigter Lösung spielte. Man braucht übrigens nicht zu glauben, daß es sich unbedingt um einen Bolschewiken handelte. Zu jener Zeit nannte der Kommandobestand jeden Soldaten, der kühner als die anderen die Stimme gegen die Offensive erhob, einen Leninisten. Viele dieser "Leninisten" glaubten noch aufrichtig, Lenin sei von Wilhelm geschickt worden. Der Kommandeur des 61. Regiments versuchte, seine Soldaten mit Strafen seitens der Regierung zu schrecken. Ein Soldat gab ihm zur Antwort: "Wir haben die alte Regierung gestürzt, wir werden auch Kerenski hinausstochern." Das waren neue Töne. Sie nährten sich von der Agitation der Bolschewiki, liefen ihr aber weit voraus.
    Von der Schwarzmeerflotte, die unter Leitung der Sozialrevolutionäre stand und, im Gegensatz zu den Kronstädtern, als Stütze des Patriotismus galt, wurde bereits Ende April eine Delegation von 300 Mann, mit dem flinken Studenten Batkin an der Spitze, der sich als Matrose verkleidet hatte, ins Land geschickt. An dieser Delegation roch vieles nach Maskerade; doch gab es auch aufrichtige Begeisterung. Die Delegation trug die Idee des Krieges bis zum Siege ins Land, doch benahmen sich die Zuhörer von Woche zu Woche feindseliger. Während die Schwarzmeerler den Ton ihrer Offensive-Predigt immer leiser stimmten, kam eine baltische Delegation nach Sewastopol, den Frieden zu propagieren. Die Nordländer hatten im Süden einen größeren Erfolg als die Südländer im Norden. Unter dem Einfluß der Kron-städter entwaffneten die Sewastopoler Matrosen am 8. Juni den Kommandobestand und verhafteten die verhaßtesten Offiziere.
    In der Sitzung des Rätekongresses vom 9. Juni fragte Trotzki, wie es geschehen konnte, daß "in dieser mustergültigen Schwarzmeerflotte, die über das ganze Land patriotische Deputationen geschickt hat, in diesem Nest des organisierten Patriotismus zu einem so kritischen Moment ein derartiger Ausbruch erfolgen konnte? Was beweist das?" Eine Antwort wurde ihm nicht zuteil.
    Unordnung und Kopflosigkeit in der Armee rieben alle auf, Mannschaft, Kommandeure und Komiteevertreter. Alle brauchten unverzüglich irgendeinen Ausweg. Die Spitzen wähnten, die Offensive würde die Unordnung überwinden und Klarheit schaffen. In gewissem Sinne war diese Annahme berechtigt. Wenn Zeretelli und Tschernow in Petrograd, unter Verwendung aller Modulationen der demokratischen Rhetorik, für die

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