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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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herrschenden Klassen"." So die Darstellung Miljukows. Zum Schluß seiner Rede formulierte Trotzki drei Regeln für die Politik der Massen: "Drei revolutionäre Gebote: der Bourgeoisie mißtrauen; die Führer kontrollieren; nur auf die eigene Kraft bauen." Über dieses Auftreten bemerkt Suchanow: "Auf Zustimmung zu seiner Rede hatte er von vornherein nicht rechnen können." Und tatsächlich, der Redner wurde am Schluß seiner Ansprache viel kühler behandelt als zu Beginn. Suchanow, überaus feinfühlig für intellektuelle Couleurs, fügt hinzu: "Es kursierten über ihn, der sich der bolschewistischen Partei noch nicht angeschlossen hatte, bereits Gerüchte, er sei noch schlimmer als Lenin."
    Die Sozialisten nahmen sich von fünfzehn Ministerportefeuilles sechs. Sie wollten in der Minderheit sein. Selbst nachdem sie sich entschlossen hatten, offen der Regierung anzugehören, setzten sie das Schlagdamespiel fort. Fürst Lwow blieb Premier, Kerenski wurde Kriegs- und Marineminister, Tschernow Ackerbauminister. Miljukows Posten als Außenminister besetzte der Kenner des Balletts, Tereschtschenko, der gleichzeitig Kerenskis und Buchanans Vertrauensperson wurde. Alle drei einigten sich dahingehend, Rußland könne auch ohne Konstantinopel vorzüglich auskommen. An die Spitze des Justizministeriums geriet der unbedeutende Advokat Perewersew, der später im Zusammenhang mit dem Juliprozeß gegen die Bolschewiki zu vorübergehender Berühmtheit gelangte. Zeretelli begnügte sich, um seine Zeit dem Exekutivkomitee nicht zu entziehen, mit dem Ministerium für Post- und Telegraphenwesen, Skobeljew, der Arbeitsminister wurde, versprach im ersten Überschwang, die Gewinne der Kapitalisten um sämtliche hundert Prozent einzuschränken was bald zu einem geflügelten Wort wurde. Der Symmetrie halber ernannte man den Moskauer Großunternehmer Konowalow zum Minister für Handel und Industrie. Er führte einige Gestalten der Moskauer Börse ein, denen man wichtige Staatsposten anvertraute. Konowalow nahm allerdings bereits nach zwei Wochen seine Entlassung, um damit seinen Protest gegen die "Anarchie" in der Wirtschaft auszudrücken, während Skobeljew schon vorher seinen Attentatsplan auf den Gewinn aufgegeben und sich dem Kampfe gegen die Anarchie gewidmet hatte: er würgte Streiks ab und rief die Arbeiter zur Selbsteinschränkung auf.
    Die Regierungsdeklaration bestand, wie es sich für eine Koalition geziemt, aus Gemeinplätzen. Sie sprach von aktiver Außenpolitik zugunsten des Friedens, Lösung der Ernährungsfrage und Vorbereitung der Lösung der Bodenbesitzfrage. Das waren durchweg aufgeblasene Phrasen. Der einzige wenigstens den Absichten nach ernsthafte Punkt sprach von der Vorbereitung der Armee "für defensive und offensive Aktionen zur Abwendung einer etwaigen Niederlage
    Rußlands und seiner Verbündeten". In dieser Aufgabe bestand im wesentlichen der tiefere Sinn der Koalition, die als letzter Einsatz der Entente in Rußland zustande gekommen war.
    "Die Koalitionsregierung", schrieb Buchanan, "ist unsere letzte und fast einzige Hoffnung auf Rettung der Kriegslage an dieser Front." So stand hinter den Grundsätzen, Reden, Abkommen    und Abstimmungen    der    liberalen    und demokratischen Führer der Februarrevolution der imperialistische Regisseur in    Gestalt der    Entente.    Gezwungen,    im Interesse der der Revolution kindlichen Ententefront eiligst in die Regierung    einzutreten,    nahmen    die    Sozialisten etwa ein
    Drittel der Macht und den ganzen Krieg auf sich.
    Der neue Außenminister mußte zwei Wochen lang die Veröffentlichung der Antworten der alliierten Regierungen auf die Deklaration vom 27. März zurückhalten, um solche stilistische Änderungen zu erwirken, die die Polemik gegen die Deklaration des Koalitionskabinetts genügend verschleierten. Die "aktive Außenpolitik zugunsten des Friedens" bestand nunmehr darin, daß Tereschtschenko eifrigst die Texte der diplomatischen Telegramme, die die alten Kanzleien für ihn aufsetzten, redigierte, "Ansprüche" ausstrich, "Forderungen der Gerechtigkeit" darüber schrieb oder für "Sicherung der Interessen", "Wohl der Völker" setzte. Mit leisem Zähneknirschen sagt Miljukow von seinem Nachfolger: "Die alliierten Diplomaten wußten, daß die "demokratische" Terminologie seiner Depeschen eine unfreiwillige Konzession an die Forderungen des Augenblicks war, und übten Nachsicht mit ihr."
    Thomas und der kurz vorher

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