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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Deutscher dem anderen, "daß die Desorganisierung der Armeen und die gänzliche Lösung der Disziplin sowohl Bedingung wie Resultat jeder bisher siegreichen Revolution war." Die gesamte Geschichte der Menschheit hat dieses einfache und unbestreitbare Gesetz festgestellt. Aber mit den Liberalen haben dies auch die russischen Sozialisten, die das Jahr 1905 im Rücken hatten, nicht begriffen, obwohl sie wiederholt als ihre Lehrer jene beiden Deutschen nannten, von denen der eine Friedrich Engels hieß, der andere Karl Marx. Die Menschewiki glaubten allen Ernstes, daß die Armee, die eine Umwälzung vollbracht hatte, den alten Krieg unter dem alten Kommando fortsetzen werde. Und diese Menschen verschrien die Bolschewiki als Utopisten.
    General Brussilow hatte Anfang Mai in einer Konferenz des Hauptquartiers den Zustand des Kommandobestandes sehr genau charakterisiert: 15-20 Prozent paßten sich der neuen Ordnung aus Überzeugung an; ein Teil der Offiziere begann, mit den Soldaten zu liebäugeln und hetzte sie gegen den Kommandobestand auf, die Mehrzahl dagegen, etwa 75 Prozent, vermochte sich nicht anzupassen, fühlte sich beleidigt, hatte sich in ihre Schale verkrochen und wußte nicht, was zu beginnen. Die erdrückende Mehrheit der Offiziere war überdies auch vom rein militärischen Standpunkt aus gesehen vollständig unfähig.
    Bei der Beratung mit den Generalen entschuldigten sich Kerenski und Skobeljew aus allen Kräften, der Revolution wegen, die - ach - "fortdauert" und der man Rechnung tragen müsse. Darauf erwidert der Schwarzhundertgeneral Gurko, die Minister Moral lehrend: "Ihr sagt, die Revolution "dauert fort". Hört auf uns ... Stellt die Revolution ein und laßt uns, Militärs, unsere Pflicht bis ans Ende erfüllen." Kerenski war mit allem Eifer bemüht, den Generalen entgegenzukommen, - bis einer von ihnen, der wackere Kornilow, ihn mit seinen Umarmungen beinahe erdrückte.
    Während der Revolution bedeutet das Versöhnlertum die Politik fieberhaften Pendelns zwischen den Klassen. Kerenski war das verkörperte Pendeln. An die Spitze der Armee gestellt, die ohne klares und eindeutiges Regime überhaupt undenkbar ist, wurde Kerenski zum unmittelbaren Werkzeug ihrer Zersetzung. Denikin führt eine interessante Liste von Personen des höheren Kommandobestandes an, deren Absetzung das Ziel verfehlt hätte, obwohl eigentlich niemand und am wenigsten Kerenski wußte, wo dieses Ziel sich befand. Alexejew entließ den Hauptkommandierenden der Front, Russki, und den Armeekommandeur Radko-Dmitrjew wegen Schwäche und Nachgiebigkeit den Komitees g3-genüber. Brussilow entfernte aus dem gleichen Grunde den verängstigten Judenitsch. Kerenski entließ Alexejew selbst und die Hauptkommandierenden der Fronten, Gurko und Dragomirow, wegen Widerstand gegen die Demokratisierung der Armee. Aus dem gleichen Grunde entfernte Brussilow General Kaledin und wurde in der Folge selbst wegen übermäßiger Nachsicht mit den Komitees abgesetzt. Kornilow legte wegen seiner Unfähigkeit, sich mit der Demokratie zu vertragen, das Kommando des Petrograder Militärkreises nieder. Das verhinderte nicht seine Ernennung zum Kommandierenden der Front und später zum Höchstkommandierenden. Denikin wurde seines Postens als Chef beim Stabe Alexejews wegen offener Leibeigenschaftstendenzen enthoben, bald darauf aber zum Oberkommandierenden der Westfront ernannt. Dieses Bockspringen, das bewies, daß man oben nicht wußte, was man wollte, ging stufenweise abwärts bis zur Kompanie und beschleunigte den Zerfall der Armee.
    Während die Kommissare von den Soldaten Gehorsam für die Offiziere forderten, mißtrauten sie diesen selbst. Auf der Höhe der Offensive erklärte in der Sowjetsitzung in Mohilew, der Hauptstadt des Hauptquartiers, in Gegenwart Kerenskis und Brussilows ein Mitglied des Sowjets: "88 Prozent der Offiziere des Hauptquartiers schaffen durch ihre Handlungen die Gefahr konterrevolutionärer Vorgänge." Für die Soldaten war das kein Geheimnis. Sie hatten vor der Umwälzung Zeit genug gehabt, ihre Offiziere kennenzulernen.
    Im Laufe des ganzen Mai variierten die Berichte der oberen wie der unteren Kommandobestandes den gleichen Gedanken: "Das Verhalten zur Offensive ist im allgemeinen ablehnend, besonders bei der Infanterie." Manchmal wird hinzugefügt: "etwas besser bei der Kavallerie und recht lebhaft bei der Artillerie."
    Ende Mai, als die Truppen sich bereits zur Offensive aufstellten, telegraphierte der Kommissar der 7. Armee

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