Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Offensive auf der politischen Linie führten Kerenski und Zeretelli, anfangs in Heimlichkeit sogar vor den nächsten Gesinnungsgenossen. Während die halb eingeweihten Führer noch weiterhin von der Verteidigung der Revolution faselten, betonte Zeretelli immer entschiedener die Notwendigkeit, die Armee für aktive Handlungen bereitzuhalten. Länger als die anderen widersetzte sich, das heißt kokettierte Tschernow. In der Sitzung der Provisorischen Regierung vom 17. Mai unterwarf man den "Bauernminister", wie er sich nannte, einem hochnotpeinlichen Verhör, ob es wahr sei, daß er in einer Versammlung von der Offensive ohne die nötige Sympathie gesprochen habe. Es ergab sich, daß Tschernow sich so ausgedrückt hatte: Die Offensive gehe ihn, den Politiker, nichts an, das sei Sache der Strategen an der Front. Diese Menschen spielten Versteck sowohl mit dem Krieg wie mit der Revolution. Allerdings nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Die Vorbereitung der Offensive war selbstverständlich vom gesteigerten Kampf gegen die Bolschewiki begleitet. Immer häufiger wurden diese der Bestrebungen für Separatfrieden beschuldigt. Die Erkenntnis, daß der Separatfrieden der Ausweg sein werde, war in der Situation von selbst gegeben, das heißt in der Schwäche und Erschöpfung Rußlands im Vergleich mit den übrigen kriegführenden Ländern. Doch hatte noch niemand die Kraft des neuen Faktors, der Revolution, zu ermessen vermocht. Die Bolschewiki meinten, daß man der Perspektive des Separatfriedens nur dann ausweichen könne, wenn man mutig und restlos die Kraft und Autorität der Revolution dem Kriege entgegenstelle. Dazu war vor allem notwendig, das Bündnis mit der eigenen Bourgeoisie zu zerreißen. Am 9. Juni erklärte Lenin auf dem Rätekongreß: "Wenn man behauptet, daß wir den Separatfrieden anstreben, so ist das unwahr. Wir sagen: keinen Separatfrieden, mit keinen Kapitalisten, vor allem nicht mit den russischen. In der Provisorischen Regierung dagegen herrscht Separatfrieden mit den russischen Kapitalisten. Nieder mit diesem Separatfrieden!." "Beifall", vermerkt das Protokoll. Das war der Beifall einer kleinen Kongreßminderheit, und gerade deshalb ein besonders heißer.
Im Exekutivkomitee fehlte den einen noch die Entschlossenheit, die anderen wollten sich zuvor mit einem autoritativsten Organ decken. Im letzten Moment wurde beschlossen, Kerenski zur Kenntnis zu bringen, daß es unerwünscht sei, den Befehl zur Offensive zu erteilen, bevor der Rätekongreß die Frage gelöst hätte. Die von der Fraktion der Bolsche-wiki in der ersten Sitzung des Kongresses eingebrachte Erklärung lautete, "die Offensive kann die Armee nur endgültig desorganisieren, da sie ihre Teile gegeneinander stellen wird", der "Kongreß muß dem gegenrevolutionären Druck Widerstand leisten, oder aber die Verantwortung für diese Politik offen und restlos übernehmen".
Der Beschluß des Rätekongresses zugunsten der Offensive war nur eine demokratische Formalität. Alles war schon bereit. Die Artilleristen hielten die feindlichen Positionen längst unter Visier. In dem Befehl an Armee und Flotte vom 16. Juni setzte Kerenski unter Berufung auf den höchstkommandierenden, "von Siegen umwobenen Führer" die Notwendigkeit eines "sofortigen und entschlossenen Hiebes" auseinander und endete mit den Worten: "Ich befehle euch -vorwärts!"
In dem am Vorabend der Offensive geschriebenen und die Erklärung der bolschewistischen Fraktion auf dem Rätekongreß kommentierenden Artikel schrieb Trotzki: "Die Regierungspolitik untergräbt die Möglichkeit erfolgreicher militärischer Aktionen in der Wurzel ... Die materiellen Voraussetzungen der Offensive sind äußerst ungünstig. Die Ernährungsorganisation der Armee spiegelt den allgemeinen Wirtschaftszerfall wider, gegen den auch nur eine radikale Maßnahme zu treffen die Regierung in ihrer heutigen Zusammensetzung außerstande ist. Die geistigen Voraussetzungen der Offensive sind in noch höherem Maße ungünstig ... Die Regierung ... hat ihre Unfähigkeit, Rußlands Politik unabhängig von den imperialistischen Alliierten zu bestimmen, ... vor der Armee entblößt. Die Massendesertion ... hört unter den heutigen Bedingungen auf, einfach das Resultat bösen Einzelwillens zu sein, und wird der Ausdruck der völligen Unfähigkeit der Regierung, die revolutionäre Armee durch innere Einheitlichkeit der Ziele zusammenzuschweißen ..." Indem er weiter darauf verwies, daß die Regierung die "sofortige
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