Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Sozialrevolutionären unten und Sozialrevolutionären oben.
Der Bericht vom 27. Mai aus dem Pawlograder Kreise im Gouvernement Jekaterinoslaw schildert fast idyllische Zustände: die Mitglieder des Landkomitees klären die Bevölkerung über alle Mißverständnisse auf, womit sie "jeglichen Exzessen vorbeugen". Aber ach, dieses Idyll wird nur kurze Wochen währen.
Der Vorsteher eines der Klöster in Kostroma beschwert sich Ende Mai bei der Provisorischen Regierung bitter über die Requisition eines Drittels des klösterlichen Hornviehs durch die Bauern. Der ehrwürdige Mönch sollte bescheidener sein: bald wird er auch von den übrigen zwei Dritteln Abschied nehmen müssen.
Im Gouvernement Kursk beginnen Verfolgungen gegen die Siedler, die sich weigerten, in die Dorfgemeinschaft zj - rückzukehren. Die Bauernschaft will vor der großen Agrarumwälzung, vor der schwarzen Neuverteilung als ein Ganzes auftreten. Innere Scheidungen könnten ein Hindernis werden. Der Mir [1] muß wie ein Mann auftreten. Der Kampf um das gutsherrliche Land wird deshalb von Gewaltakten gegen die Siedler, das heißt die Bodenindividualisten, begleitet. Am letzten Maitag wird im Gouvernement Perm der Soldat Samojlow verhaftet, der zur Steuerverweigerung aufgefordert hatte. Bald wird der Soldat Samojlow andere verhaften. Bei der Kirchenprozession in einem Dorfe des Charkower Gouvernements zerhackte der Bauer Grizenko vor den Augen des ganzen Dorfes mit einem Beil das geweihte Bild des heiligen Nikolaus. So entstehen die verschiedenartigsten Formen des Protestes und verwandeln sich in Taten.
Ein Seeoffizier und Gutsbesitzer gibt in den anonymen Aufzeichnungen eines Weißgardisten ein interessantes Bild der Evolution des Dorfes während der ersten Monate nach der Umwälzung. Auf alle Posten "wurden fast überall Menschen aus bürgerlichen Schichten gewählt. Alle waren nur um das eine bemüht, - die Ordnung aufrechtzuerhalten". Zwar erhoben die Bauern die Forderung nach Land, aber in den ersten zwei, drei Monaten ohne Gewaltanwendung. Im Gegenteil, man konnte immer Worte hören wie "wir wollen nicht plündern, wir wünschen im Einvernehmen zu bekommen" usw. In diesen beruhigenden Versicherungen vernahm jedoch das Ohr des Leutnants eine "versteckte Drohung". In der Tat, wenn auch die Bauernschaft in der ersten Periode nicht zur Gewalt griff so begann sie doch, den Kräften der sogenannten Intelligenz "mit einem Male ihre Mißachtung zu bezeigen". Die halbabwartende Stimmung dauerte, nach den Worten des Weißgardisten, bis Mai/Juni, "wonach sich bald eine schroffe Wendung bemerkbar machte, die Tendenz auftauchte, den Gouvernementsbestimmungen zu widersprechen, die Angelegenheiten nach eigenem Ermessen zu erledigen" ... Mit anderen Worten, die Bauernschaft ließ der Februarrevolution eine Frist von ungefähr drei Monaten zur Begleichung der sozialrevolutionären Wechsel, um dann selbständig zur Eintreibung überzugehen.
Der Soldat Tschinenow, der sich den Bolschewiki angeschlossen hatte, reiste nach der Umwälzung zweimal von Moskau nach seinem Heimatort im Gouvernement Orel. Im Mai herrschten im Bezirk die Sozialrevolutionäre. An vielen Orten zahlten die Muschiks den Gutsbesitzern noch die Pacht. Tschinenow organisierte eine bolschewistische Zelle aus Soldaten, Landarbeitern und Landarmen. Die Zelle predigte Einstellung der Steuerzahlungen und Zuteilung von Boden an Landlose. Man machte sofort eine Aufstellung der gutsherrlichen Wiesen, verteilte sie unter den Dörfern und mähte sie ab. "Die Sozialrevolutionäre, die im Bezirkskomitee saßen, schrien über die Ungesetzlichkeit unserer Handlungen, verzichteten aber nicht auf ihren Teil Heu." Da die Bezirksvertreter aus Angst vor der Verantwortung ihre Vollmachten niederlegten, wählten die Bauern andere, entschlossenere. Das waren bei weitem nicht immer Bolschewiki. Durch ihren unmittelbaren Druck spalteten die Bauern die sozialrevolutionäre Partei, indem sie die revolutionären Elemente von den Bürokraten und Karrieremachern trennten. Nachdem sie das Gras der Gutsherren abgemäht hatten, machten sich die Muschiks an die Brachfelder und verteilten den Boden für die Wintersaat. Die bolschewistische Zelle faßte den Beschluß, die Speicher der Gutsbesitzer zu untersuchen und die Brotvorräte in das hungernde Zentrum zu senden. Die Verfügungen der Zelle wurden ausgeführt, da sie den Stimmungen der Bauern entsprachen. Tschinenow brachte bolschewistische Literatur nach Hause, von der dort
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