Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Verhaftungen von Gutsbesitzern" usw. Im Tambower Gouvernement wird von einer Bauernmenge mit einigen entlassenen Soldaten an der Spitze ein Gutshof geplündert. Die ersten Meldungen sind zweifellos übertrieben, die Gutsbesitzer bauschen in ihren Beschwerden offensichtlich die Zusammenstöße auf und greifen den Ereignissen vor. Was aber keinem Zweifel unterliegt, ist die führende Teilnahme von Soldaten an der Bauernbewegung, die von der Front und den Stadtgarnisonen Initiativgeist mitbringen.
Ein Bezirkskomitee im Gouvernement Charkow beschließt am 5. April, bei den Bodenbesitzern Haussuchungen nach Waffen vorzunehmen. Dies ist bereits eine deutliche Vorahnung des Bürgerkrieges. Die Entstehung von Unruhen im Skopinski-Kreis, Gouvernement Rjasan, erklärt der Kommissar damit, daß das Exekutivkomitee des Nachbarkreises die Zwangsverpachtung des gutsherrlichen Bodens an die Bauern verfügte. "Die Agitation der Studenten für die Wahrung der Ruhe bis zur Einberufung der Konstituierenden Versammlung hat keinen Erfolg." So erfahren wir, daß "Studenten", die in der ersten Revolution zum Agrarterror aufgerufen hatten - das war zu jener Zeit die Taktik der Sozialrevolutionäre -, im Jahre 1917 dagegen Ruhe und Gesetzlichkeit, allerdings erfolglos predigten.
Der Kommissar des Gouvernements Simbirsk zeichnet ein Bild der anschwellenden Bauernbewegung: die Bezirks- und Dorfkomitees - von ihnen wird noch im weiteren die Rede sein - verhaften Gutsbesitzer, weisen sie aus dem Gouvernement aus, entfernen die Arbeiter von den gutsherrlichen Feldern, beschlagnahmen den Boden und bestimmen eigenmächtig den Pachtzins. "Die vom Exekutivkomitee entsandten Delegierten gehen auf die Seite der Bauern über." Gleichzeitig setzt die Bewegung der Gemeindemitglieder gegen die Siedler ein, das heißt gegen die Großbauern, die auf Grund des Stolypinschen Gesetzes vom 9. November 1906 sich mit selbständigen Landstücken ausgesondert hatten. "Die Lage im Gouvernement gefährdet die Feldbestellung." Der Simbirsker Gouvernementskommissar sieht bereits im April keinen anderen Ausweg, als die unverzügliche Proklamierung des Bodens zum Nationaleigentum mit der Bä-stimmung, daß die Art der Landbenutzung später von der Konstituierenden Versammlung festgelegt werden solle.
Aus dem Kreise Kaschirski, dicht bei Moskau, kommen Klagen, das Exekutivkomitee verleite die Bevölkerung zur Aneignung kirchlicher, klösterlicher und gutsherrlicher Ländereien. Im Gouvernement Kursk holen die Bauern die Kriegsgefangenen von der Arbeit auf den Gütern heraus und setzen sie sogar im Ortsgefängnis fest. Nach den Bauernkongressen beginnen die Bauern des Gouvernements Pensa - geneigt, die Resolutionen der Sozialrevolutionäre über Land und Freiheit wörtlich zu nehmen - die kürzlich mit den Bodenbesitzern abgeschlossenen Verträge zu verletzen. Gleichzeitig eröffnen sie einen Feldzug gegen die neuen Regierungsorgane. "Bei der Bildung der Bezirks- und Kreisexekutivkomitees im Monat März wurden in der Mehrzahl Vertreter der Intelligenz gewählt; später jedoch", berichtet der Pen-saer Kommissar, "wurden Stimmen gegen sie laut, und schon Mitte April bestanden die Komitees überall ausschließlich aus Bauern, die in der Bodenfrage offen ungesetzliche Tendenzen vertraten."
Eine Gruppe des benachbarten Kasaner Gouvernements erhob bei der Provisorischen Regierung Beschwerde über die Unmöglichkeit, die Wirtschaft fortzuführen, da die Bauern die Feldarbeiter verjagen, die Saat wegnehmen, an vielen Orten die ganze Habe von den Gehöften wegtragen, den Gutsbesitzer hindern, in seinem Walde Holz zu fällen, mit Gewalt und Tod drohen. "Es gibt kein Recht, alle tun, was sie wollen, der vernünftige Teil wird terrorisiert." Die Kasa-ner Gutsbesitzer wissen bereits, wer die Schuld an der Anarchie hat: "Die Verfügungen der Provisorischen Regierung sind im Dorfe unbekannt, dafür aber sind die Flugblätter der Bolschewiki sehr verbreitet."
Indes herrschte an Verfügungen der Provisorischen Regierung kein Mangel. Durch ein Telegramm vom 20. März stellte Fürst Lwow den Kommissaren anheim, Bezirkskomitees als Organe der Ortsbehörde zu schaffen, und empfahl ihnen, zur Arbeit "die örtlichen Bodenbesitzer und alle intellektuellen Kräfte des Dorfes hinzuzuziehen". Es war beabsichtigt, das gesamte Staatsregime nach dem System der Friedenskammern zu organisieren. Die Kommissare jedoch waren bald gezwungen, über die Verdrängung der "intellektuellen Kräfte" zu klagen,
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