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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Lager von Krokodilen geraten sei. "Aber die Muschiks hörten aufmerksam und wohl nicht ohne Sympathie zu. Nur wagten sie sie nicht zu zeigen." Das gleiche wiederholte sich in der den Bolschewiki äußerst feindlichen Soldatensektion. Nach den Sozialrevolutionären und Menschewiki versucht auch Suchanow, der Leninschen Taktik in der Agrarfrage eine anarchistische Färbung zu geben. Das ist gar nicht so fern vom Fürsten Lwow, der geneigt war, die Attentate auf die gutsherrlichen Rechte als anarchistische Handlungen anzusehen. Nach dieser Logik ist die Revolution in ihrer Gesamtheit gleichbedeutend mit Anarchie. In Wirklichkeit war die Leninsche Fragestellung viel tiefer, als sie seinen Kritikern erschien. Organe der Agrarrevolution, in erster Linie zur Liquidierung des gutsherrlichen Bodenbesitzes, sollten die Sowjets der Bauerndeputierte mit den ihnen unterstellten Landkomitees werden. Lenin erblickte in den Sowjets Organe der morgigen Staatsmacht, und zwar der allerkonzentriertesten, nämlich der revolutionären Diktatur. Das ist jedenfalls von Anarchismus, das heißt von Theorie und Praxis der Herrschaftslosigkeit, weit entfernt. "Wir sind", sagte Lenin am 23. April, "für die sofortige Übergabe des Bodens an die Bauern bei maximalster Organisiertheit. Wir sind absolut g3-gen anarchische Aneignungen." Weshalb wir nicht auf die Konstituante warten wollen? "Für uns ist die revolutionäre Initiative wichtig, das Gesetz aber muß deren Resultat sein. Wen ihr warten werdet, bis das Gesetz geschrieben wird, selbst aber keine revolutionäre Energie entfaltet, werdet ihr weder Gesetz noch Boden haben." Ist in diesen einfachen Worten nicht die Stimme aller Revolutionen?
    Nach einem Monat Verhandlungen wählte der Bauernkongreß ein Exekutivkomitee als ständige Institution, bestehend aus zweihundert robusten dörfischen Kleinbourgeois und Narodniki vom Professoren- oder Krämertyp und stellte vor diese Gesellschaft die dekorativen Gestalten der Breschkowskaja, Tschajkowski, Wera Figner und Kerenski. Zum Vorsitzenden wurde Awksentjew gewählt, geschaffen für Gouvernementsbankette, aber nicht für den Bauernkrieg.
    Von nun an wurden die wichtigsten Fragen in gemeinsamen Sitzungen zweier Exekutiven: der der Arbeiter und Soldaten und der der Bauern behandelt. Diese Verbindung bedeutete eine außerordentliche Stärkung des rechten Flügels, der sich unmittelbar an die Kadetten anlehnte. In allen Fällen, wo man einen Druck auf die Arbeiter ausüben, über die Bol-schewiki herfallen, der "unabhängigen Kronstädter Republik" mit Peitschen und Skorpionen drohen wollte, erhoben sich wie eine Mauer die zweihundert Hände oder richtiger Fäuste der Bauernexekutive. Diese Menschen stimmten mit Miljukow darin völlig überein, daß man mit den Bolschewiki "Schluß machen" müsse. Aber in Beziehung auf das gutsherrliche Land hatten sie Muschikansichten und nicht liberale Theorien, und dies brachte sie in einen Gegensatz zur Bourgeoisie und zur Provisorischen Regierung.
    Kaum hatte der Bauernkongreß Zeit gehabt auseinanderzugehen, als auch schon Beschwerden zu hageln begannen, man nehme auf dem Lande seine Resolutionen ernst, was zur Wegnahme von Boden und Inventar bei den Gutsbesitzern führe. Es war absolut unmöglich, den starrsinnigen Muschikschädeln den Unterschied zwischen Wort und Tat einzuhämmern.
    Die Sozialrevolutionäre gaben erschrocken Rückzugssignale. Auf ihrem Kongreß Anfang Mai in Moskau verurteilten sie feierlichst jede eigenmächtige Landaneignung: man müsse auf die Konstituierende Versammlung warten. Doch war diese Resolution außerstande, die Agrarbewegung aufzuhalten oder auch nur abzuschwächen. Die Sache wurde noch dadurch außerordentlich verzwickt, daß es in der sozialrevolutionären Partei nicht wenig Elemente gab, die tatsächlich bereit waren, bis zu Ende mit dem Muschik gegen den Gutsbesitzer zu gehen, wobei diese linken Sozialrevolutionäre, die sich noch nicht entschließen konnten, offiziell mit der Partei zu brechen, den Muschiks halfen, die Gesetze zu umgehen oder auf eigene Art zu deuten.
    Im Gouvernement Kasan, wo die Bauernbewegung einen besonders stürmischen Schwung erhielt, machten sich die linken Sozialrevolutionäre früher als anderswo unabhängig. An ihrer Spitze stand Kalegajew, der spätere Volkskommissar für Ackerbau in der Sowjetregierung während der Periode des Blockes der Bolschewiki mit den linken Sozialrevolutionären. Seit Mitte Mai beginnt im Gouvernement Kasan die

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