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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Schicksal durch den Lauf der Ereignisse bereits besiegelt ist, schickt er der Zarin aus Wjasma ein Telegramm: "Herrliches Wetter. Ich hoffe, Ihr fühlt Euch gut und ruhig. Von der Front sind viele Truppen gesandt. Zärtlich liebend, Niki." Statt der Zugeständnisse, auf die nun die Zarin drängt, sendet der zärtlich liebende Zar Truppen von der Front. Aber trotz des "herrlichen Wetters" muß der Zar einige Stunden später höchstpersönlich mit dem revolutionären Orkan zusammengeraten. Der Zug kam bis zur Station Wischera, weiter ließen ihn die Eisenbahner nicht: "Die Brücke ist zerstört." Wahrscheinlich hat das Gefolge selbst diese Ausrede erfunden, um die Situation zu beschönigen. Nikolaus versucht - oder man versucht ihn -über Bologoje zu fahren, mit der Nikolajewskaer Eisenbahn; doch auch hier ließ man den Zug nicht passieren. Das war anschaulicher als alle Telegramme aus Petrograd. Der Zar war vom Hauptquartier abgeschnitten und fand den Weg nicht in seine Hauptstadt. Mit den einfachen Eisenbahner-"Figuren" erklärte die Revolution dem König Schach!
    General Dubenski, der den Zaren auch im Zuge begleitete, vermerkt in seinem Tagebuch: "Alle sind sich dessen bewußt, daß diese nächtliche Wendung in Wischera eine historische Nacht bedeutet ... Mir ist es völlig klar, daß die Frage der Konstitution entschieden ist; sie wird bestimmt eingeführt werden ... Alle sprechen nur davon, daß man mit ihnen, mit den Mitgliedern der Provisorischen Regierung, handelseinig werden müsse." Vor dem heruntergelassenen Streckensignal, hinter dem die Todesgefahr lauert, sind jetzt Graf Frederiks, Fürst Dolgoruki, Herzog von Leuchtenberg, kurz, all die hohen Herrschaften, für die Konstitution. Sie denken nicht mehr an einen Kampf. Man müsse nur verhandeln, das heißt versuchen, wieder zu betrügen, wie im Jahre 1905.
    Während so der Zug herumirrte, ohne einen Weg zu finden, schickte die Zarin ein Telegramm nach dem anderen an den Zaren, in denen sie auf seine eilige Rückkehr drang. Sie erhielt aber die Telegramme vom Telegraphenamt zurück mit dein Blaustiftvermerk: "Aufenthaltsort des Adressaten unbekannt." Die Telegraphenbeamten konnten den russischen Zaren nicht ausfindig machen.
    Regimenter mit Musik und Fahnen marschierten zum Taurischen Palais. Die Gardebesatzung erschien unter dem Kommando des Großfürsten Kyrill Wladimirowitsch, der, wie die Gräfin Kleinmichel bezeugt, mit einem Male eine revolutionäre Haltung zeigte. Die Wachposten zogen sich zurück. Der Hofstaat verließ das Schloß: "Es rettete sich, wer konnte", schreibt die Wyrubowa in ihren Erinnerungen. Im Schlosse wanderten Gruppen revolutionärer Soldaten umher und besahen alles mit heißhungriger Neugier. Bevor die oben sich noch über das "Was nun?" klargeworden waren, hatten die unten das Zarenpalais schon in ein Museum umgewandelt.
    Der Zar, dessen Aufenthalt unbekannt ist, wendet nach Pskow um, zum Stabe der Nordfront, die unter dem Kommando des alten Generals Russki steht. Im Gefolge des Zaren löst ein Vorschlag den anderen ab. Der Zar zögert. Er rechnet noch immer mit Tagen und Wochen, als die Revolution schon nach Minuten zählt.
    Der Dichter Block charakterisierte den Zaren in den letzten Monaten der Monarchie folgendermaßen: "Eigensinnig, aber willenlos, nervös, aber gegen alles abgestumpft, um den Glauben an die Menschen gebracht, zerrüttet, aber überlegt in seinen Worten, war er seiner selbst nicht mehr Herr. Er hörte auf, die Lage zu begreifen, machte keinen klaren Schritt mehr und begab sich völlig in die Hände derer, die er selbst an die Macht gestellt hatte." Wie erst müssen sich die Züge der Willenlosigkeit und der Zerrüttung, der Ängstlichkeit und des Mißtrauens in den letzten Februar- und den ersten Märztagen verstärkt haben!
    Nikolaus raffte sich nun endlich auf, an den ihm verhaßten Rodsjanko ein Telegramm zu senden - offenbar ist dies aber dann doch nicht abgeschickt worden -, in dem er ihn, um des Heiles der Heimat willen, mit der Bildung eines neuen Ministeriums betraute, unter dem Vorbehalt, Außen-, Kriegs- und Marineminister selbst zu ernennen. Der Zar möchte mit "ihnen" noch handeln: marschieren doch "zahlreiche Truppen" gegen Petrograd!
    General Iwanow erreichte tatsächlich unbehindert Zarskoje Selo: die Eisenbahner hatten sich wahrscheinlich doch nicht entschließen können, es auf einen Zusammenstoß mit dem Bataillon Georgier ankommen zu lassen. Allerdings gestand der General später, er sei

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