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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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nächsten Aufgaben heranzugehen. Das Bild der alten regierenden Klasse würde unvollendet bleiben, versuchten wir nicht zu zeigen, wie die Monarchie der Stunde ihres Sturzes begegnete.
    Der Zar weilte im Hauptquartier, in Mohilew, wohin er sich zu begeben pflegte, nicht weil man seiner dort bedurfte, sondern um sich den Petrograder Behelligungen zu entziehen. Der Hofhistoriker, General Dubenski, der sich beim Zaren im Hauptquartier befand, trug in sein Tagebuch ein: "Ein stilles Leben hat hier begonnen. Alles wird beim alten bleiben. Von ihm (dem Zaren) wird nichts kommen. Es können nur zufällige äußere Ursachen sein, die eine Veränderung erzwingen." Am 24. schrieb die Zarin ins Hauptquartier wie stets auf Englisch: "Ich hoffe, daß man den Duma-Kedrinski (es handelt sich um Kerenski) aufhängen wird für seine schrecklichen Reden - das ist unbedingt notwendig. (Gesetz der Kriegszeit.) Und das wird ein Beispiel sein. Alle ersehnen und flehen Dich an, daß Du Deine Festigkeit zeigest." Am 25. Februar traf ein Telegramm des Kriegsministers ein, daß in der Hauptstadt Streiks und Arbeiterunruhen ausgebrochen, aber entsprechende Maßnahmen - getroffen seien; Ernstes wäre nicht zu befürchten. Mit einem Wort: Wieder einmal!
    Die Zarin, die den Zaren stets lehrte, nicht nachzugehen, bemüht sich auch jetzt festzubleiben. Am 26. telegraphiert sie in offenkundiger Absicht, Nikolaus' schwankenden Mut zu stärken: "In der Stadt herrscht Ruhe." Aber im Abendtelegramm ist sie schon gezwungen, einzugestehen: "In der Stadt sieht es gar nicht gut aus." Im Briefe schreibt sie: "Man muß den Arbeitern offen sagen, daß sie keine Streiks machen sollen, wenn sie es aber tun werden, dann muß man sie zur Strafe an die Front schicken. Es sind gar keine Schießereien nötig, man braucht nur Ordnung und darf die Arbeiter nicht über die Brücken lassen." Wahrhaftig, man braucht nicht viel: nur Ordnung! Und vor allem, die Arbeiter nicht ins Zentrum lassen, mögen sie in wütender Ohnmacht in ihren Stadtvierteln ersticken.
    Am Morgen des 27. Februar rückte der General Iwanow mit einem Bataillon Georgier von der Front zur Hauptstadt ab; er war mit diktatorischen Vollmachten versehen, die er allerdings erst nach Besetzung von Zarskoje Selo bekanntgeben sollte. "Man kann sich kaum eine ungeeignetere Person vorstellen", schreibt in seinen Erinnerungen General Denikin, der sich späterhin selbst in militärischer Diktatur betätigte, "ein altersschwacher Mann, der sich in einer politischen Situation kaum auskannte und weder Kräfte, noch Energie, noch Willen, noch Strenge besaß." Die Wahl war auf Iwanow gefallen, in Erinnerung an die erste Revolution: elf Jahre vorher hatte er Kronstadt "gebändigt". Diese Jahre waren aber nicht spurlos vergangen: die Bändigen waren gebrechlich geworden, die Gebändigten erwachsen. Der Nord-und der Westfront wurde befohlen, Truppen zum Abmarsch nach Petrograd bereit zu halten. Es ist klar, man meinte, vorderhand sei noch Zeit genug. Iwanow selbst glaubte, alles werde schnell und gut enden, er hatte sogar nicht vergessen, seinen Adjutanten zu beauftragen, in Mohilew Lebensmittel für die Petrograder Bekannten einzukaufen.
    Am 27. Februar, morgens, schickte Rodsjanko dem Zaren ein neues Telegramm, das mit den Worten schloß: "Die letzte Stunde ist gekommen, in der sich das Schicksal des Vaterlandes und der Dynastie entscheidet." Der Zar sagte zu seinem Hofminister Frederiks: "Schon wieder schreibt mir dieser dicke Rodsjanko allerhand Unsinn, auf den ich ihm nicht einmal antworten werde." Doch nein, es ist kein Unsinn! Und man wird antworten müssen.
    Gegen Mittag des 27. trifft im Hauptquartier ein Bericht von Chabalow ein über Meutereien in den Pawlowski-, Wo-lynski-, Litowski- und Preobraschenski-Regimentern. Der Bericht ersucht um zuverlässige Truppen von der Front. Eine Stunde später kommt ein Beruhigungstelegramm vom Kriegsminister: "Die am Morgen entstandenen Unruhen werden von den ihrer Pflicht treugebliebenen Kompanien und Bataillonen energisch unterdrückt ... Bin von baldigem Eintritt der Ruhe fest überzeugt ..." Nach 7 Uhr jedoch berichtet Belajew bereits: "Mit den wenigen ihrer Pflicht treugebliebenen Abteilungen die Meuterei der Truppen zu unterdrücken, gelingt nicht." Er bittet um eiligen Abtransport wirklich zuverlässiger Truppenteile, und zwar in ausreichender Stärke "für gleichzeitiges Vorgehen in verschiedenen Stadtteilen." Der Ministerrat hielt an diesem Tage die Zeit für

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