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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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da die Nachricht eintraf, die Deputierten Gutschkow und Schulgin seien von der Hauptstadt nach Pskow unterwegs. Das war eine neue Veranlassung, den Entschluß zu vertagen. Der Zar befahl, ihm das Telegramm zurückzugeben. Er hatte offenbar Angst, zuviel zu bieten, und wartete noch immer auf tröstliche Nachrichten, richtiger gesagt, er hoffte auf ein Wunder. Die beiden Deputierten empfing der Zar um 12 Uhr in der Nacht vom 2. zum 3. März. Kein Wunder geschah, und es war nicht mehr möglich, auszuweichen. Der Zar erklärte plötzlich, er könne sich von seinem Sohne nicht trennen - welche wirren Hoffnungen gingen dabei durch seinen Kopf? -, und unterschrieb den Thronverzicht zugunsten seines Bruders. Gleichzeitig wurden Dekrete an den Senat betreffs Ernennung des Fürsten Lwow zum Vorsitzenden des Ministerrats und Nikolai Nikolaje-witschs zum Obersten Kriegsherrn unterzeichnet. Die Familienbefürchtungen der Zarin fanden damit gleichsam ihre Bestätigung: Der verhaßte "Nikolascha" kehrte, zusammen mit den Verschwörern, zur Macht zurück. Gutschkow wähnte wohl ernsthaft, die Revolution würde sich mit dem Kaiserlichen Kriegsherrn abfinden. Dieser nahm die Ernennung ebenfalls für bare Münze. Er versuchte einige Tage hindurch sogar, irgendwelche Befehle zu erteilen und zur Erfüllung der patriotischen Pflicht zu ermahnen. Doch die Revolution hat ihn schmerzlos ausgeschieden.
    Um den Schein eines freigefaßten Entschlusses zu wahren, wurde das Abdankungsmanifest mit 3 Uhr nachmittags gezeichnet, unter dem Vorwand, die Entscheidung des Zaren, dem Thron zu entsagen, sei ursprünglich um diese Stunde gefaßt worden. Aber den "Entschluß" vom Tage, der den Thron an den Sohn, nicht an den Bruder übergab, war ja, in der Hoffnung auf eine günstige Wendung des Rades, faktisch zurückgenommen worden. Doch daran erinnerte niemand. Der Zar machte noch den letzten Versuch, Haltung zu zeigen vor den verhaßten Deputierten, die ihrerseits die Fälschung des historischen Aktes, das heißt den Volksbetrug, zuließen. Die Monarchie entfernte sich vom Schauplatz unter Wahrung ihres Stils. Aber auch ihre Nachfolger blieben sich treu. Ihre Nachsicht betrachteten sie wahrscheinlich als Großmut des Siegers gegen den Besiegten.
    Von dem unpersönlichen Stil seines Tagebuches etwas abweichend, trägt Nikolaus am 2. März ein: "Am Morgen kam Russki und las mir ein ganz langes Telephongespräch mit Rodsjanko vor. Nach dessen Worten sei die Lage in Petrograd derart, daß ein Ministerium aus Mitgliedern der Reichsduma ohnmächtig wäre etwas zu tun, denn es würde von der Sozialdemokratischen Partei in der Gestalt des Arbeiterkomitees bekämpft werden. Mein Thronverzicht sei notwendig. Russki übermittelte dieses Gespräch ins Hauptquartier an Alexejew und an alle Oberkommandierenden. Um 12.30 Uhr trafen die Antworten ein. Um Rußland zu retten und die Truppen an der Front festzuhalten, habe ich mich zu diesem Schritt entschlossen. Ich willigte ein, und aus dem Hauptquartier wurde ein Entwurf des Manifestes gp-schickt. Abends trafen aus Petrograd Gutschkow und Schulgin ein, mit denen ich eine Unterredung hatte und denen ich das unterzeichnete, abgeänderte Manifest übergab. Um 1 Uhr reiste ich schweren Herzens aus Pskow ab; ringsherum Verrat, Feigheit, Betrug."
    Die Erbitterung Nikolaus' war, wie man zugeben muß, nicht unbegründet. Noch am 28. Februar hatte General Alexejew allen Oberkommandierenden der Fronten telegraphiert: "Uns allen obliegt die heilige Pflicht vor Kaiser und Heimat, in den Truppen der aktiven Armee die Treue zu Pflicht und Eid aufrechtzuerhalten." Und zwei Tage später rief Alexejew die gleichen Oberkommandierenden der Armee auf, die Treue zu "Pflicht und Eid" zu verletzen. Im Kommandostand fand sich nicht einer, der sich für seinen Zaren einsetzte. Alle sputeten sich, auf das Schiff der Revolution umzusteigen, in der festen Zuversicht, dort bequeme Kajüten vorzufinden. Generale und Admirale nahmen die zaristischen Abzeichen herunter und steckten sich rote Bänder an. Man erzählte später nur von einem Gerechten, irgendeinem Korpskommandanten, der beim Ablegen des neuen Eides an Herzschlag verschied. Es ist jedoch nicht erwiesen, daß sein Herz an verletztem Monarchismus brach und nicht aus anderen Gründen. Die zivilen Würdenträger brauchten, schon ihrer Stellung nach, nicht mehr Mut zu zeigen als die Militärs. Jeder rettete sich, wie er konnte.
    Aber die Uhr der Monarchie ging entschieden nicht im gleichen

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