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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Ministeriums, wobei es die gleichen Leute ernannte, die die Duma seit 1915 wiederholt dem Zaren als Männer empfohlen hatte, die das Vertrauen des Landes besäßen: es waren Großagrarier und Industrielle, oppositionelle Dumadeputierte, Führer des progressiven Blocks. Tatsache ist, daß der von den Arbeitern und Soldaten vollzogene Umsturz sich in der Zusammensetzung der revolutionären Regierung mit einer Ausnahme überhaupt nicht widerspiegelte. Die Ausnahme war Kerenski. Die Schwingungsweite Rodsjanko-Kerenski ist die offizielle Schwingungsweite der Februarrevolution.
    Kerenski trat in das Ministerium ein gleichsam als deren bevollmächtigter Gesandter. Sein Verhalten zur Revolution war jedoch das Verhalten eines Provinzadvokaten, der in politischen Prozessen auftritt. Kerenski war kein Revolutionär, er hatte sich nur an der Revolution gerieben. Als er, dank seiner legalen Lage, in die vierte Duma gelangte, wurde er der Vorsitzende der grauen, jedes Gesichts entbehrenden Fraktion der Trudowiki, die die anämische Frucht einer politischen Kreuzung zwischen Liberalismus und Narodnikitum darstellte. Er besaß weder theoretische Vorbereitung, noch politische Schulung, noch Fähigkeit zu verallgemeinerndem Denken, noch politischen Willen. Alle diese Eigenschaften ersetzten flüchtige Aufnahmefähigkeit, leichte Entzündbarkeit und jene Rednergabe, die nicht auf Verstand oder Willen wirkt, sondern auf die Nerven. Sein Auftreten in der Duma im Geiste deklamatorischen Radikalismus, für den es an Anlässen nicht mangelte, machten Kerenski wenn nicht populär, so doch bekannt. Im Kriege hielt er als Patriot, gemeinsam mit den Liberalen, allein schon den Gedanken an eine Revolution für verderbenbringend. Er erkannte die Revolution an, als sie gekommen war und ihn, am Scheine seiner Popularität festgehakt, so mühelos nach oben hob. Der Umsturz identifizierte sich für ihn natürlicherweise mit der neuen Macht. Das Exekutivkomitee hatte jedoch beschlossen, die Macht müsse in einer bürgerlichen Revolution Bürgertum gehören. Diese Formel erschien Kerenski schon allein deshalb falsch, weil sie vor ihm die Türen des Ministeriums zuschlug. Kerenski war begründeterweise davon überzeugt, daß sein Sozialismus die bürgerliche Revolution so wenig behindern könne, wie diese seinen Sozialismus beeinträchtigen. Das provisorische Dumakomitee beschloß zu versuchen, den radikalen Deputierten vom Sowjet loszureißen, und erreichte dies ohne Schwierigkeiten, indem es ihm das Justizportefeuille anbot, auf das Maklakow bereits verzichtet hatte. Kerenski fing in den Couloirs Freunde ab und befragte sie: nehmen oder nicht nehmen? Die Freunde zweifelten nicht, daß er entschlossen war, zu nehmen) Suchanow, der zu jener Zeit Kerenski wohlwollte, entdeckte an ihm, allerdings nach späteren Erinnerungen, die Überzeugung von irgendeiner seiner harrenden Mission ... "und höchste Gereiztheit gegen alle, die diese Mission noch nicht erraten hatten". Schließlich empfahlen die Freunde, darunter auch Suchanow, Kerenski, das Portefeuille anzunehmen: so sei es immerhin sicherer; durch einen der Unseren könnte man erfahren, was dort, bei den schlauen Liberalen, geschieht. Aber während die Führer des Exekutivkomitees im stillen Kerenski zu diesem Sündenfall stießen, zu dem es ihn ohnehin aus allen Kräften zog, verweigerten sie ihm die offizielle Sanktion. Suchanow erinnerte Kerenski daran, daß das Exekutivkomitee sich ja bereits geäußert habe und daß es "nicht ungefährlich" sei, die Frage noch einmal im Sowjet aufzurollen, da dieser einfach antworten könnte: "Die Macht muß der Sowjetdemokratie gehören." Dies ist der wörtliche Bericht Suchanows - eine unglaubliche Mischung von Naivität und Zynismus. Der Inspirator des ganzen Mysteriums der Machtschöpfung gesteht hier offen, daß die Stimmung des Petrograder Sowjets bereits am 2. März für die formale Übernahme der Macht gewesen war, die ihm faktisch seit dem 27. Februar gehörte, und daß die sozialistischen Führer nur hinter dem Rücken der Arbeiter und Soldaten, ohne deren Wissen und gegen deren wirklichen Willen, die Macht zugunsten der Bourgeoisie expropriieren konnten. Der Schacher der Demokraten mit den Liberalen gewinnt in der Erzählung Suchanows alle notwendigen juristischen Merkmale eines Verbrechens gegen die Revolution, und zwar einer Geheimverschwörung gegen die Herrschaft des Volkes und dessen Rechte.
    Anläßlich der Ungeduld Kerenskis tuschelten die Führer

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