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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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rechtgläubigen Kirche naher als den zahmen Demokraten, die um nichts so besorgt waren wie um das Wohlwollen der Liberalen, Ohnmächtig, die Revolution niederzuringen, entschloß sich Miljukow fest, sie zu überlisten. Er war vieles zu schlucken bereit: bürgerliche Freiheiten für die Soldaten, demokratische Munizipalitäten, die Konstituierende Versammlung, aber alles nur unter der einen Bedingung: daß man ihm den archimedischen Punkt in Form der Monarchie belasse. Er beabsichtigte, die Monarchie allmählich, Schritt für Schritt, zu der Achse zu machen, um die sich die Generalität, die aufgefrischte Bürokratie, die Fürsten der Kirche, die Besitzenden, alle mit der Revolution Unzufriedenen gruppieren könnten. Ein anderer Führer der Kadettenpartei, Nabokow, erklärte später, welcher Hauptvorteil durch die Thronannahme Michails erreicht worden wäre: "Die fatale Frage der Einberufung der Konstituierenden Versammlung während des Krieges wäre beseitigt gewesen." Diese Worte muß man sich merken: der Kampf um die Fristen der Konstituierenden Versammlung nahm in der Zeit zwischen dem Februar und dem Oktober einen großen Platz ein, wobei die Kadetten ihre Absicht, die Einberufung der Volksvertretung hinauszuziehen, kategorisch leugneten, in Wirklichkeit jedoch beharrlich und hartnäckig eine Verschleppungspolitik verfolgten. Aber sie mußten sich dabei auf sich selbst stützen: die monarchische Deckung war ihnen letzten Endes nicht zuteil geworden. Nach der Desertion Michails konnte sich Mil-jukow auch an einem Strohhalm nicht mehr festhalten.

Kapitel 10: Die neue Macht
    Vom Volke getrennt, mit dem ausländischen Finanzkapital viel enger verbunden als mit den werktätigen Massen des eigenen Landes, der siegreichen Revolution feind, verspätet auf den Plan getreten, konnte die russische Bourgeoisie im eigenen Namen nicht ein einziges Argument zugunsten ihrer Machtansprüche geltend machen. Eine Begründung aber war unbedingt notwendig, denn die Revolution unterwirft nicht nur die vererbten Rechte einer unbarmherzigen Nachprüfung, sondern auch die neuen Ansprüche. Am wenigsten war der Vorsitzende des Provisorischen Komitees, Rods-janko, der in den ersten Tagen nach dem Umsturz an die Spitze des revolutionären Landes gelangt war, fähig, für die Massen überzeugende Argumente vorzubringen.
    Kammerpage unter Alexander II., Offizier des Kavalleriegarderegiments, Gouvernement-Adelsmarschall, Kammerherr Nikolaus' I., durch und durch Monarchist, reicher Gutsbesitzer und Semstwoführer, Mitglied der Oktobristenpartei, Deputierter der Reichsduma, war Rodsjanko später zu deren Vorsitzendem gewählt worden. Das geschah, nachdem Gutschkow, der als "Jungtürke" am Hofe verhaßt war, seine Vollmachten niedergelegt hatte: die Duma hoffte durch Vermittlung des Kammerherrn leichter zum Herzen des Monarchen Zutritt zu erlangen. Rodsjanko tat, was er konnte: offenherzig versicherte er dem Zaren, der Dynastie ergeben zu sein, erbat als Gnade, dem Thronfolger vorgestellt zu werden, und empfahl sich diesem als "der größte, und dickste, Mann Rußlands". Trotz all dieser byzantinischen Gaukeleien gelang es dem Kammerherrn nicht, den Zaren für eine Konstitution zu gewinnen, und die Zarin nannte Rodsjanko in ihren Briefen kurz einen Schuft. Während des Krieges bereitete der Dumavorsitzende dem Zaren zweifellos nicht wenige unangenehme Minuten, wenn er ihn bei persönlichen Vorträgen durch schwungvolle Überredungsversuche, patriotische Kritik und düstere Prophezeiungen in die Ecke drängte. Rasputin sah in Rodsjanko einen persönlichen Feind. Der der Hofbande nahestehende Kurlow spricht von der Rodsjanko eigentümlichen "Frechheit bei unzweifelhafter Beschränktheit". Witte äußerte sich über den Dumavorsitzenden nachsichtiger aber nicht viel günstiger: "Kein dummer Mensch, recht verständig; doch die Haupteigenschaft Rodsjankos besteht nicht in seinem Verstand, sondern in seiner Stimme: er hat einen vorzüglichen Baß." Rodsjanko versuchte zuerst, die Revolution mit Hilfe der Feuerspritze zu besiegen; weinte dann, als er erfuhr, die Regierung des Fürsten Golizyn sei auf und davon gelaufen; er lehnte die Macht, die die Sozialisten ihm auftrugen, entsetzt ab; beschloß später, sie anzunehmen, aber nur als getreuer Untertan, um bei der ersten Gelegenheit dem Monarchen den verlorenen Gegenstand wieder zurückzugeben. Es ist nicht Rods-jankos Schuld, daß diese Möglichkeit sich nicht geboten hat. Dafür brachte die

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