Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Erklärung ein: das Regiment sei gegen die Provisorische Regierung und fordere den Übergang der Macht an die Sowjets; lehne die von Kerenski begonnene Offensive ab und hege die Befürchtung, das Exekutivkomitee sei zusammen mit den Ministern-Sozialisten auf die Seite der Bourgeois übergegangen. Das Organ des Exekutivkomitees veröffentlichte über diesen Besuch einen vorwurfsvollen Bericht.
Wie ein Kessel brodelte nicht allein Kronstadt, sondern die ganze Baltische Flotte, deren Basis hauptsächlich Helsingfors war. Die Hauptkraft der Bolschewiki in der Flotte war zweifellos Antonow-Owssejenko, schon als junger Offizier Teilnehmer am Sewastopoler Aufstand von 1905, Menschewik in den Jahren der Reaktion, Emigrant-Internationalist in den Kriegsjahren, Mitarbeiter Trotzkis bei der Herausgabe der Zeitung Nasche Slowo in Paris, nach Rückkehr aus der Emigration übergetreten zu den Bolschewiki. Politisch schwankend, aber persönlich mutig, impulsiv und zerfahren, jedoch fähig zur Initiative und Improvisation, nahm Antonow-Owssejenko, in jenen Tagen noch wenig bekannt, bei den weiteren Revolutionsereignissen nicht den letzten Platz ein. "Wir im Helsingforser Parteikomitee", erzählt er in seinen Erinnerungen, "begriffen die Notwendigkeit von Ausdauer und ernstlicher Vorbereitung. Wir hatten auch entsprechende Anweisungen vom Zentralkomitee. Doch wir waren uns der ganzer Unvermeidlichkeit des Ausbruches bewußt und blickten besorgt in die Richtung auf Petrograd." Und dort häuften sich die Elemente der Explosion von Tag zu Tag. Das 2. Maschinengewehrregiment, rückständiger als das 1., forderte in einer Resolution die Übergabe der Macht an die Sowjets. Das 3. Infanterieregiment verweigerte die Aussonderung von vierzehn Marschkompanien. Die Versammlungen in den Kasernen bekamen immer drohenderen Charakter. Am 1. Juli war ein Meeting beim Grenadierregiment von Verhaftung des Komiteevorsitzenden und Obstruktion gegen die menschewistischen Redner begleitet. Nieder mit der Offensive! Nieder mit Kerenski! Im Mittelpunkt der Garnison standen die Maschinengewehrschützen, die auch dem Julistrom die Schleusen öffneten.
Dem Namen des 1. Maschinengewehrregiments sind wir bereits bei den Ereignissen der ersten Revolutionsmonate begegnet. Bald nach der Umwälzung aus eigener Initiative von Oranienbaum in Petrograd "zur Verteidigung der Revolution" eingetroffen, stieß das Regiment sogleich auf den Widerstand des Exekutivkomitees, welches beschloß, dem Regiment zu danken und es nach Oranienbaum zurückzuschicken. Die Maschinengewehrschützen weigerten sich kategorisch, die Hauptstadt zu verlassen: "Die Konterrevolutionäre könnten den Sowjet überfallen und das alte Regime wieder aufrichten." Das Exekutivkomitee gab nach, und einige tausend Maschinengewehrschützen blieben in Petrograd zj - sammen mit ihren Maschinengewehren. Im Volkshause untergebracht, wußten sie nicht, was weiter mit ihnen geschehen werde. Unter ihnen waren jedoch nicht wenig Petrograder Arbeiter, und nicht zufällig übernahm deshalb die Sorge um die Maschinengewehrschützen das Komitee der Bolschewiki. Sein Beistand sicherte den Bezug von Lebensmitteln aus der Peter-Paul-Festung. Die Freundschaft war angebahnt. Bald wurde sie unerschütterlich. Am 21. Juni faßten die Maschinengewehrschützen in einer allgemeinen Versammlung den Beschluß: "Fernerhin sind Kommandos zur Front nur dann zu entsenden, wenn der Krieg einen revolutionären Charakter tragen wird." Am 2. Juli veranstaltete das Regiment im Volkshause ein Abschiedsmeeting zu Ehren der an die Front abkommandierten "letzten" Marschkompanie. Es sprachen Lunatscharski und Trotzki: dieser zufälligen Tatsache versuchten die Behörden später außergewöhnliche Bedeutung beizumessen. Im Namen des Regiments antworteten der Soldat Schilin und ein alter Bolschewik, der Unteroffizier Laschewitsch. Die Stimmung war sehr gehoben, man brandmarkte Kerenski, schwor Treue der Revolution, doch niemand machte praktische Vorschläge für die nächste Zukunft. Indessen wartete man während der letzten Tage in der Stadt beharrlich auf Ereignisse. Die "Julitage" warfen ihre Schatten voraus. "Überall, in allen Winkeln", erinnert sich Suchanow, "im Sowjet, im Mariinski-Palais, in den Bürgerwohnungen, auf den Plätzen und Boulevards, in Kasernen und Fabriken, sprach man von irgendeinem, heute, morgen zu erwartenden Hervortreten. Niemand wußte Bestimmtes über das Wer, Wie und Wo. Aber die Stadt fühlte sich wie am
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