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Geschichte der Tuerkei

Geschichte der Tuerkei

Titel: Geschichte der Tuerkei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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einer fast ununterbrochenen Abfolge von Kriegen, die 1911 mit der italienischen Besetzung von Tripolis begonnen hatte, sondern kündigte auch das Ende des 3000 Jahre alten kleinasiatischen Hellenismus an. Nachdem Mustafa Kemal als
Gazi
(«der Siegreiche») von İzmir nach Ankara zurückgekehrt war, berichtete er vor der Nationalversammlung rhetorisch ausladend über den Erfolg. Während er die Generäle Fevzi (Çakmak), İsmet (İnönü) und Kâzım (Özalp) lobend erwähnte, überging er in auffälligem Gegensatz dazu wichtige Beiträge Kâzım Karabekirs und schwieg auch über den Anteil von Refet (Bele) und Rauf (Orbay). Bis zu Atatürks Tod (1938) und darüber hinaus sollte sich diese Kluft zwischen dem Staatsgründer und den Paschas vertiefen, für die der Unabhängigkeitskrieg nicht Mittel, sondern Endziel gewesen war.
    Lausanne wurde als Ort der in Mudanya angekündigten Friedenskonferenz bestimmt. Im November 1922 reiste eine 33-köpfige Delegation der Nationalisten unter dem eiligst zum Außenminister ernannten İsmet Paşa (İnönü) an den Genfer See. Rauf Bey (Orbay), der als damaliger Ministerpräsident Anspruch auf die Verhandlungsführung erhoben hatte, blieb verbittert zurück. Die TBMM hatte am 1. November den letzten von 36 osmanischen Sultanen mit einer Gegenstimme
rückwirkend
zum 16. März 1920 seines Amts enthoben, ihm aber den Kalifen-Titel gelassen. Noch vor Eröffnung der Konferenz ergriff Mehmed VI. Vahdeddin mit seinem Sohn Ertoğrul am 17. November an Bord des britischen Kriegsschiffes
Malaya
die Flucht. Für die Aberkennung der Kalifenwürde griffen die Nationalisten in Ankara in osmanischer Tradition zu einem Rechtsgutachten, das der Minister für Fromme Stiftungen und religionsrechtliche Angelegenheiten Mehmed Vehbi ausstellte. Die sechs Jahrhunderte lang geschichtswirksame Dynastie war damit noch nicht völlig erloschen,denn der bisherige Thronfolger Abdülmecid (1876–1944) wurde in Ankara zum Kalifen gewählt. Atatürk bestand aber darauf, dass Abdülmecid statt «Befehlshaber der Muslime» den Titel «Kalif der Muslime» zu führen habe. Mit seinem Vorschlag, den Kalifen in Ankara zu etablieren, konnte er sich indes nicht durchsetzen.
    Die einmal für längere Zeit unterbrochenen, sich insgesamt über acht Monate hinziehenden Verhandlungen von Lausanne waren aus der Sicht Atatürks und İsmet İnönüs von Erfolg gekrönt. Das bestätigt ein Vergleich mit den Bestimmungen des nicht ratifizierten Vorortfriedens. In Sèvres hatten sich die Alliierten gleichsam einen Blankoscheck ausgestellt, der ihnen die Kontrolle über einen halbsouveränen Staat ermöglicht hatte. Das am 24. Juli 1923 unterzeichnete Vertragswerk von Lausanne erfüllte hingegen – mit Ausnahme der Rückgabe der britisch besetzten Provinz Mosul (siehe S. 49) – alle Forderungen, die Ankara als nicht verhandelbar festgelegt hatte. In dem Abschlussdokument war weder von Armenien (bzw. einer Rückkehr der vertriebenen Armenier) noch von Kurdistan oder İzmir die Rede. Die rechtlichen Privilegien («Kapitulationen») der Mächte waren aufgehoben. Eine diplomatische Meisterleistung stellte das Zugeständnis der Alliierten dar, 150 von Ankara frei bestimmbare politische Gegner von der allgemeinen Amnestie für Kriegsverbrechen auszuschließen. Dadurch konnten die Kemalisten eine beachtliche Zahl von «Verrätern» ohne weitere Begründung ins lebenslange Exil schicken. Als kompliziert und konfliktträchtig sollten sich die Lausanner Bestimmungen über die Minderheiten erweisen, die auf türkisches Drängen anders als in den europäischen Verträgen nicht ethnisch, sondern ausschließlich nach der Religionszugehörigkeit definiert wurden (siehe S. 17, 44).

3. Revolutionen und Reformen (1923–1928)
    Nach der eiligst erfolgten Ratifizierung des Vertrags von Lausanne durch die Nationalversammlung am 23. August 1923 wurde Istanbul von den Besatzungstruppen geräumt. Bis zur Bestätigung durch die wichtigsten Vertragsteilnehmer und der damit verbundenen völkerrechtlichen Wirksamkeit verging fast ein weiteres Jahr. Atatürk gründete in den Tagen nach Lausanne seine «Volkspartei» (
Halk Fırkası
), wie er schon Ende des Vorjahres angekündigt hatte. Ihre Statuten öffneten sie «für jeden Türken und jede von außen kommende Person, welche die türkische Staatsangehörigkeit und Kultur angenommen hat». Atatürk wurde ihr Präsident, İsmet İnönü sein Stellvertreter und Recep (Peker) Generalsekretär. Am

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