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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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für Niedriglöhne arbeiten zu lassen und auf Krieg zu setzen.
    «Eisen und Blut»
    Ein entscheidender Impuls für die Umstrukturierung der Staaten war der technologische Wandel. Bismarck erklärte 1862 vor dem preußischen Abgeordnetenhaus, die großen Fragen der Zeit würden nicht durch hochstehende Ideale oder luftige Reden entschieden, sondern durch «Eisen und Blut». Damit hatte er Recht. Doch die Rolle des Eisens war jüngeren Datums als die des Blutes. Die Briten hatten die Vorherrschaft im Handel erlangt, und die damit einhergehende finanzielle Führungsrolle gründete ursprünglich auf der mechanisierten Baumwoll- und Textilproduktion (und indirekt auf der Arbeit von Sklaven und Proletariern). Bei den Baumwollspinnereien, die in neuen Industriestädten wie Manchester oder bald darauf auch in Lille oder Pawtucket in Rhode Island errichtet wurden, handelte es sich um riesige Baracken, in denen ausgeklügelte, aber relativ leichte, mit Wasser- oder Dampfkraft betriebene Maschinen standen, mit denen bislang beispiellose Mengen an Fasern zu Textilien gewebt und gesponnen werden konnten. Was die Organisation der Gesellschaft anbelangte, so sollte die epochemachende Erfindung der Fabrik dazu führen, dass sich Arbeitskräfte einer von den Eigentümern vorgegebenen Zeitdisziplin unterwarfen und versammelten – das war die Voraussetzung, um bis dato unvorstellbare Mengen an nicht von Menschen oder Tieren erzeugter Energie für ihre Arbeit nutzen zu können. Textilfabriken und später dann Eisenschmelzöfen führten zu einer neuen Urbanisierung. Die Metropolen um 1800 waren Verwaltungsstädte, höfische Zentren oder Handelshäfen gewesen (London, Paris, Dublin, Neapel, St. Petersburg, Konstantinopel, Edo/Tokio, Kanton, Kalkutta). Daneben entstanden die industriellen Außenbezirke und Ballungsräume der Midlands, des Ruhrgebiets, New Yorks usw.
    Tabelle 1: Einwohnerzahlen ausgewählter Städte (in Tausend)[ 60 ]

    Diesem gewandelten Produktionsprozess folgte unmittelbar eine Welle der Innovation beim Transport von Menschen und Waren, die auf Dampfmaschinen mit Selbstantrieb beruhte, welche auf parallelen Schienen fuhren oder auf Schiffe montiert wurden. James Watt hatte die entscheidenden Verbesserungen entwickelt, welche die moderne Dampfmaschine schon in den 1780er Jahren möglich machten. Sein Entwurf verflüssigte den Abdampf in einem Abkühlgefäß, das von der Kammer, in welcher der erhitzte Dampf den Kolben antrieb, getrennt war, sodass man die Maschine zwischen den Hüben nicht mehr kühlen musste. Watt erfand zudem die außermittige Befestigung der Verbindungsstange, welche die Schubbewegung des Kolbens in die sanfte Rotationsbewegung eines Rades umwandeln konnte. Von 1803 an wurden diese Neuerungen in den Schaufelraddampfer eingebaut, der stromaufwärts fahren und den Schiffsantrieb von der Windrichtung unabhängig machen konnte. Ab den 1830er Jahren waren Dampfschiffe interkontinental unterwegs. Sie ersetzten die Segelschiffe nicht sofort, hatten aber zur Folge, dass die Schiffskonstrukteure die Schnellsegler perfektionierten, die für die Ausweitung des Handels mit China sorgten.
    Schon 1804 wurde die Dampfmaschine in ein Fahrzeug eingebaut, das auf parallelen Schienen Eisenerz beförderte, und 1807 fuhr in Wales der erste dampfgetriebene Passagierzug. Die ersten Strecken, die mehr als nur Kuriositätenwert hatten, wurden 1830 in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten eröffnet: von Manchester nach Liverpool, von Washington nach Baltimore, von Boston in die Vororte und dann weiter nach Worcester, von Nürnberg nach Fürth 1834, von Brüssel nach Mechelen 1835, von der Sommerresidenz des Zaren in Zarskoje Selo (Puschkin) nach St. Petersburg sowie 1851 in Indien, 1855 quer durch Panama, 1857 in Argentinien und 1872 von Tokio nach Yokohama. In den 1850er Jahren begann das Eisenbahnnetz deutlich zu wachsen. 1840 belief sich das Streckennetz weltweit auf 7562 Kilometer, 1850 auf 30.892, 1860 auf 69.668, 1870 auf 101.849, 1880 auf 162.669 und 1890 schließlich auf 244.889 Kilometer. In den USA summierten sich die Eisenbahnkilometer 1850 auf fast 14.000, 1861 waren es dann schon fast 50.000, davon knapp 34.000 im Norden (hiervon wiederum 11.000 in den Staaten des Mittleren Westens von Ohio bis Kansas, Missouri und Minnesota) sowie nicht ganz 16.000 im Süden. Am Ende des Jahrhunderts war das weltweite Eisenbahnnetz mehr als 800.000 Kilometer lang; davon entfielen auf die USA mehr als 135.000 Kilometer,

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