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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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während Großbritannien, Deutschland, Frankreich und der europäische Teil Russlands jeweils zwischen 40.000 und 50.000 Kilometer vorzuweisen hatten.[ 61 ]
    Das waren außerordentliche Entwicklungen, weniger weil sie zunächst den Verkehr auf den Kanälen und mautpflichtigen Straßen ersetzten, sondern weil sie die Geschwindigkeit erhöhten und einen Anreiz für bahnbrechende technologische Entwicklungen lieferten. «Durch Wind und Licht, Regen und Sonnenschein dahin und immer weiter rollt und brüllt in ungestümer Hast der Zug seinen glatten, sicheren Weg», heißt es in einem Roman von Charles Dickens. Und in einer Zeitschrift war 1840 zu lesen: «Wir sind der Überzeugung, dass die Dampfmaschine zu Lande eine der wertvollsten Triebkräfte des gegenwärtigen Zeitalters ist, denn sie ist schneller als der Windhund und stärker als tausend Pferde, sie kennt keine Leidenschaften und kein Motiv, sie wird von ihren Fahrern gelenkt, sie läuft unermüdlich, sie lässt sich für so viele Zwecke nutzen und auf jede Stärke steigern.»[ 62 ] Die neuen Technologien führten ihrerseits zu einer enormen Ausweitung der Eisen- (und später dann Stahl-)Produktion sowie der Eisenverarbeitung – ein weitaus energieintensiverer Prozess als die Textilherstellung, was seinerseits wiederum die Gewinnung von ungeheuren Mengen an Kohle und Eisenerz verlangte. Großbritannien war ganz vorn mit dabei in diesem Zeitalter der Schwermaschinen, ab den 1860er Jahren dann beim Bau von Schiffen aus Eisen bzw. Stahl sowie bei der Entwicklung neuer Techniken der Eisenverhüttung und der Veredelung zu Stahl, die einen noch größeren Bedarf an Kohle und Koks zur Folge hatten. Doch Großbritannien musste seine ökonomische Spitzenstellung zunehmend mit Deutschland und den USA teilen. Sie steigerten die Nachfrage nach Kohle und dann nach Stahl, was wiederum einen Ausbau des Schienennetzes erforderlich machte, um Kohle und Eisenerz transportieren zu können.
    Tabelle 2: Produktion von Kohle, Roheisen und Rohstahl (in Mio. Tonnen)

    Zahlen für Großbritannien und Deutschland (in metrischen Tonnen) aus Brian R. Mitchell, European Historical Statistics 1750–1970 , London 1978, Tab. D2, D7 und D8. Zahlen für die USA aus Historical Statistics of the United States, Millennial Edition , Tab. Db67 (Anthrazitkohle), Db60 (Pechkohle), Tab. Db74 (Roheisen) und Dd399. Die Zahlen für die USA wurden in metrische Tonnen umgerechnet.
    Der Bau von Eisenbahnen erforderte die Organisation eines großen Pools an Investoren; die Notwendigkeit, Bahnstrecken über lange Entfernungen zu koordinieren, beförderte dezentralisierte, kleinteilige Verwaltungstechniken ebenso wie eine zentrale Überwachung. Die ersten Kurzzüge fuhren zwar langsam, aber trotzdem um ein Vielfaches schneller als die holprigen Kutschen. Vor dem Eisenbahnzeitalter brauchte man für die knapp über 600 Kilometer von Pittsburgh nach New York eine Woche; 1860 schaffte man die Strecke an einem Tag. Der Telegraf bedeutete, dass ganze Reiche und große Nationen in «Echtzeit» regiert werden konnten.
    Die um die Jahrhundertmitte tobenden Kriege – die großen, grausamen Schlachten, die wie eine Nahtstelle zwischen erster und zweiter Jahrhunderthälfte liegen: der Krimkrieg, der Amerikanische Bürgerkrieg, die deutschen Einigungskriege – beschleunigten die Entwicklung der Technologie, mit der Individuen, große Gruppen von Soldaten und deren Ausrüstung transportiert wurden. Pullman-Schlafwagen wurden Ende der 1860er Jahre zu einem bezahlbaren Luxus für die obere Mittelschicht, der durch Lincolns Begräbniszug ins Bewusstsein der amerikanischen Öffentlichkeit geriet. Massenhaft tote Kühe oder Schweine zu transportieren war eine größere Herausforderung als die Beförderung der Honoratioren, die den toten Präsidenten begleiteten. Die Entwicklung von Kühlwaggons in den 1880er Jahren ermöglichte es, per Eisenbahn Schweine- oder Rinderhälften von den riesigen Weidegründen und Schlachthöfen im Landesinneren in die bevölkerungsreichen Stadtzentren im Osten zu transportieren (und auch die Schlachthöfe waren jetzt mechanisiert: Die Tierkörper wurden kopfüber an Ketten durch die Hallen befördert und nach und nach an den verschiedenen Arbeitsstationen zerlegt). Die Erfindung einer Druckluftbremse sorgte dafür, dass diese nun längeren Züge mit höherer Geschwindigkeit fahren konnten, da ihre enorme Wucht von der Lokomotive aus kontrolliert werden konnte.
    Die Eisenbahn beeinflusste die

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