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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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Niederlage und wurde zur Abdankung gezwungen. Habsburgische Truppen erzwangen die Kapitulation Venedigs. Angesichts einer erneuten Revolution in Ungarn erhielten die Österreicher Unterstützung von den Russen, um das revolutionäre und sezessionistische Regime in Budapest zu besiegen. Liberale Nationalisten mussten weiter auf den richtigen Moment warten. Einige flohen nach Frankreich, Großbritannien und in die USA. Andere akzeptierten die engen Grenzen populistischer Politik und schlossen sich den neuen Kräften der Mitte an, die bereit waren, mit den nach 1848 Regierenden Kompromisse zu schließen, ob sie nun liberal gesinnt waren wie im Piemont oder pragmatisch wie in Preußen. Viele verwandten ihre Energie darauf, Gesellschaften für den Eisenbahnbau oder für Verbesserungen im Agrarbereich zu unterstützen. Die wissenschaftliche Landwirtschaft achtete wie jede aufstrebende Industrie auf den Boden ebenso wie auf das Territorium. Cavour besaß ein Landgut. Die Pferdemärkte und die jährlichen Ausstellungen für wissenschaftlichen Landbau boten letztlich eine Form von Ersatzpolitik in Kontexten, wo nationale Politik noch keine oder keine Option mehr war – so in Irland, Polen und Italien in den 1850er Jahren.[ 75 ]
    Das reaktionäre Nachspiel von 1848 war bitter, sollte aber nur relativ kurze Zeit dauern. Konterrevolutionäre, ob in Paris nach dem Juniaufstand 1848 oder in den zurückeroberten Gebieten Venetiens, Ungarns und des revolutionären Wien, sollten ihre Gegner zahlreich erschießen, doch 1850/51 wieder Gnade walten lassen. Radikale veränderten ihre Mentalität. 1849 schrieb der russische Revolutionär Alexander Herzen aus dem Exil an seinen Sohn und seine Leserschaft in Russland: «Ich sehe den unvermeidlichen Untergang des alten Europas, und um nichts von dem, was besteht, tut es mir leid, weder um die Gipfelleistung der europäischen Bildung noch um die europäischen Institutionen […].» Und er stellte die rhetorische Frage: «Warum aber bleibe ich? Ich bleibe darum, weil der Kampf hier vor sich geht, weil trotz Blut und Tränen hier die sozialen Fragen entschieden werden, weil hier die Leiden schmerzhaft und brennend, aber öffentlich sind: der Kampf spielt sich offen ab, niemand versteckt sich. Wehe den Besiegten, aber sie sind nicht schon vor dem Kampfe besiegt, sind nicht der Stimme beraubt, bevor sie ein Wort stammeln konnten […].» Zwanzig Jahre später schrieb er an seinen einstigen radikalen Kameraden Michail Bakunin, der noch immer für die revolutionäre Umwälzung kämpfte: «Du bist mehr geblieben, wie Du warst, Dich hat das Leben sehr gequält […]. Doch wenn ich mich verändert habe, so denke auch daran, dass sich alles geändert hat. […] Wir haben das schreckliche Beispiel eines blutigen Aufstandes [gemeint ist der Juniaufstand 1848] gesehen, der in einem Augenblick der Verzweiflung und des Zornes hinaustrat und erst auf der Barrikade entdeckte, dass ihm das Banner fehlte. […] Was aber wäre geschehen, wenn der Sieg auf die Seite der Barrikaden getreten wäre? Hatten die grimmigen Kämpfer mit zwanzig Jahren schon alles ausgesprochen, was sie auf dem Herzen hatten? Nicht einen einzigen aufbauenden organischen Gedanken finden wir in ihrem Vermächtnis, ökonomische Fehler aber führen nicht indirekt wie politische, sondern geradewegs und tiefer ins Verderben, zum Stillstand und zum Hungertod. […] Die mit Pulver in die Luft gesprengte bürgerliche Welt wird, wenn sich der Rauch legt und die Trümmer weggeräumt sind, von neuem als irgendeine bürgerliche Welt mit verschiedenen Modifikationen beginnen […].»[ 76 ] Und so geschah es.
    Kontrollierte Transformation
    Das Nationale stand nicht nur in Europa auf der Tagesordnung. 1853 ließ der amerikanische Commodore Matthew Perry seine Flotte von vier Schiffen vor dem Hafen von Yokohama vor Anker gehen, um in Verhandlungen mit der japanischen Regierung zu treten, die über keine Seestreitmacht verfügte, welche sich den Amerikanern hätte entgegenstellen können. Washington wollte sich Rechte für schiffbrüchige Seeleute und für den kommerziellen Handel sichern. Mit der Annexion Kaliforniens von Mexiko und der britischen Anerkennung der Ansprüche auf Oregon war die nordamerikanische Republik Ende der 1840er Jahre zu einer pazifischen Macht geworden. Ihre Schiffe trieben regen Handel mit China; Japan bot Bekohlungsanlagen sowie seine eigenen Güter an und lag auf der Handelsroute. Perrys Visite erfolgte nach mehreren

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